Eine kleine Scheibe aus der Mechanik veränderte 1970 das Muskeltraining. Mit dem Einsatz der Exzenter-Technik katapultierte der Amerikaner Arthur Jones vor mehr als 50 Jahren die Sportstudios in die Moderne.
Selbst geschweißt und zusammengeschraubt
Ohne Langhanteln, Kurzhanteln oder Kettlebells gäbe es keine modernen Fitnesscenter. Sie waren – und in vielen Bereichen sind sie das immer noch – Mittel der Wahl, wenn Muskeln gegen einen definierten Widerstand arbeiten müssen, um kräftiger zu werden oder an Umfang zu gewinnen. Die ersten Studios konnten neben diesen freien Gewichten bestenfalls noch einige, meist selbst gebaute „Trainingsgeräte“ anbieten. Es gab nichts anderes.
Ein bisschen Mechanik
Nun sind Hanteln, in welcher Form auch immer, eine tolle Sache. Allerdings stellen sie den Trainierenden vor zwei große Herausforderungen. Die mehrgelenkigen Grundübungen setzen ein hohes Maß an Koordinationsfähigkeit voraus. 20 kg sind bei einer Übung in jeder Winkelstellung 20 kg. Dazu ein bisschen Mechanik. Die Kraft, die ein Muskel während einer Bewegung aufbringen kann, ändert sich mit der Winkelstellung des Gelenks.
Bei einem Langhantelcurl sind die Bizeps am stärksten, wenn der Unterarm sich in einem 90° Winkel zum Oberarm befindet. In der Ausgangsposition sind sie im Vergleich deutlich schwächer. Um dieses Manko auszugleichen, gibt es verschiedene Möglichkeiten, die alle zulasten der Effektivität des Trainings gehen. Die häufigste Variante besteht darin, ein Gewicht zu wählen, das man auch in der schwächeren Position kontrolliert bewältigen kann. Im Fitness- und Gesundheitssport ist das natürlich auch die sinnvollste. So kann man die Bewegung ohne Risiko über den kompletten Bewegungsradius ausführen. Allerdings werden die Möglichkeiten, die der Bizeps eigentlich innerhalb dieser Bewegung hätte, nicht ausgereizt. Das gelingt nur, wenn man entsprechend schwerere Gewichte verwendet und die neuralgischen Punkte gezielt austrickst.
Entweder durch ein leichtes Abfälschen, also mit etwas Schwung, oder indem man die Hantel erst gar nicht so weit hinablässt, dass man den Totpunkt mit Schwung wieder überwinden müsste. Eine weitere Möglichkeit wäre ein erfahrener Trainingspartner, der in den schwächeren Phasen die Bewegung gezielt unterstützt. Um tatsächlich gerade soviel Unterstützung zu leisten, wie es erforderlich ist, muss man aber schon ziemlich eingespielt sein.
Noch ein Wort zum Abfälschen. Im leistungssportlichen Bereich kann man es hin und wieder gezielt einsetzen. Im Freizeitsport ist es keine wünschenswerte Alternative, da sollte die kontrollierte Bewegung möglichst über die vollständige Amplitude erfolgen. Ausnahmen sind Einschränkungen aus orthopädischen Gründen, bei denen das Training nach den Vorgaben des behandelnden Arztes nur in bestimmten Winkelstellungen erfolgen darf.
Dann kam der Exzenter
Natürlich führt für Kraftdreikämpfer und Gewichtheber kein Weg an der Langhantelstange vorbei. Doch im Schatten dieser Kraftsportarten zog das Bodybuilding vor allem in den USA ab den 40er Jahren zunehmend mehr Menschen in seinen Bann. Zunächst noch beflügelt durch die ersten Stars der Szene, die in kleineren TV- und Kinorollen auftauchten. Von da an war es nur noch ein kleiner Schritt, bis die von der Öffentlichkeit zuvor kaum beachtete Subkultur sich zu einer innovativen Branche wandelte. Denn im Bodybuilding ging es nicht darum, nur stärker zu werden, sondern durch gezieltes und wiederholtes Ermüden die trainierten Muskeln zu weiterem Wachstum anzuregen.
1970 präsentierte Arthur Jones die erste Hightech-Trainingsmaschine und legte damit den Grundstein für die legendären Nautilus-Geräte. Jones, dessen Überlegungen u.a. auch die Grundlagen für das High-Intensity-Training gebildet haben, bot eine Lösung, das schwankende Kraftpotenzial während des Bewegungsablaufs durch einen technischen Kniff auszugleichen. Eine Scheibe am Trainingsgerät, die dafür sorgt, dass in jeder Winkelstellung dem Muskel die gleiche Leistung abverlangt wird, da der Mittelpunkt der Scheibe außerhalb der Wellenachse liegt. Daher auch der Name Exzenter für die Steuerungsscheibe, die aus der Mechanik stammt. Er leitet sich ab von dem lateinischen Begriff ex centro, aus der Mitte gerückt. Mit seiner Innovation bereitete Jones den Weg für eine ganze Industrie und für die Ausstattung moderner Sportstudios, wie wir sie heute kennen.
Also freie Gewichte oder Trainingsmaschinen?
Ein Streit tobt schon seit Jahrzehnten hinter den Kulissen. Bei der Frage, ob das Training mit freien Gewichten oder Maschinen effektiver ist, geraten Fundamentalisten und Hightech-Jünger in schöner Regelmäßigkeit aneinander. Für unerfahrene Studiobesucher ist es kaum möglich, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Die Argumente beider Seiten scheinen auf Anhieb einzuleuchten. Zum Beispiel dass freie Gewichte, also Lang- und Kurzhanteln, die Verletzungsgefahr in die Höhe treiben, noch dazu völlig unnötig. Die Gegenseite besteht darauf, dass ein Maschinentraining zulasten der Effektivität gehe und setzt gleich noch drauf, dass alle Top-Stars der verschiedenen Kraftsport-Disziplinen sowohl Kraft als auch Aussehen dem Training mit Hanteln verdanken würden.
Doch die Antwort liegt wie immer in der Mitte. Eine Kombination aus beidem ist für Trainierende, die gesundheitlich nicht eingeschränkt sind und alle Facetten einer umfassenden Fitness verbessern möchten, optimal. Trainingsmaschinen erlauben es, die Belastung des trainierten Muskels ohne Ausweichbewegungen exakt dosiert auf den Punkt zu bringen. Der Einsatz freier Gewichte schult auch koordinative Fähigkeiten, die im Alltag bei der Bewältigung komplexer Tätigkeiten wichtig sind. Gut ausgebildete Trainerinnen und Trainer erkennen, wie und in welchem Verhältnis Maschinen und freie Gewichte in das individuelle Trainingsprogramm eingebaut werden sollten, um den größten Nutzen zu garantieren.
Bild: FNG