Volker Ebener hatte gemeinsam mit Prof. Dr. Theodor Stemper und den FNG Fitness News Germany zum kostenlosen Online-Symposium „Der Weg in die Systemrelevanz – Vom Abo zur Verordnung“ eingeladen und hunderte Studiobetreiber nutzten die kostenlose Möglichkeit, spannende Vorträge von hochkarätigen Branchen-Experten zu diesem existenziell wichtigen Thema zu verfolgen.
Bei der Systemrelevanz sind die Studios bislang außen vor
Prof. Dr. Theodor Stemper brachte es gleich in seiner Anmoderation des Online-Symposiums auf den Punkt: In einer Verordnung des Justizministeriums aus dem Jahr 2016 zu Krisen-relevanten Bereichen tauchen Sportstudios nicht auf. Auch Studios, die über ein breites Spektrum an Gesundheitsangeboten verfügen, wurden kaum berücksichtigt. Stattdessen finden sich dort fast nur Einrichtungen, in denen medizinisch notwendige Behandlungen durchgeführt oder Arzneimittel bezogen werden können. Die wertvollen Präventions-Angebote einer ganzen Branche so pauschal abzuwerten, ist in dieser Form nur schwer akzeptabel. Bei einer ähnlichen Krise wie wir sie während der Corona-Pandemie mit den lähmenden Lockdowns erlebt haben, müssen die Fitnessanlagen endlich als das wahrgenommen werden, was zumindest die Qualitätsstudios schon lange sind: Gesundheitsdienstleister mit einem so großen gesellschaftlichen Nutzen, dass man ihnen die Systemrelevanz nicht mehr absprechen kann.
Auf die präventive Bedeutung der Studios ging auch Hans Muench in seinem Vortrag beim Online-Symposium ein, der einen Blick ins Ausland geworfen hatte, um zu sehen, welche Auswirkungen die Pandemie dort auf die Branche hatte. Dabei fiel vor allem eine US-Studie von Dr. Robert Sallis an 4,5 Millionen Mitgliedern der Permanente Versicherung ins Auge. Die kam zu dem bemerkenswerten Schluss, dass diejenigen, die regelmäßig trainierten, im Fall einer Ansteckung mit einem deutlich milderen Verlauf rechnen konnten. Eine Studie von Neuroscience kam zu dem Ergebnis, dass regelmäßiges Training zu einer Verbesserung der mentalen Gesundheit und einem Abbau von Ängsten führt. Hoffnung macht, dass sich in Ländern, die ihre Lockdowns früher aufgehoben haben, die Lage auf dem Markt bereits wieder entspannt.
Sieben Branchen-Kenner präsentieren Konzepte für die Zukunft
Rainer Reusch, mywellfit, stellte seine positiven Erfahrungen während der Lockdowns mit einem von ihm entwickelten Konzept vor. Durch eine gezielte Neuausrichtung von Fitness- und Gesundheitsanlagen mit Physiotherapeuten gelang es, die Anlagen geöffnet und deren Angebote zugänglich zu halten. Zwingend erforderlich war zunächst die Entwicklung eines Hygienekonzeptes in Abstimmung mit den Gesundheitsämtern vor Ort. Außerdem galt es, die jeweiligen Corona-Schutz-Verordnungen genau zu analysieren. So fand sich in der Verordnung des Landes NRW ein Passus zu „medizinischen Notwendigkeiten“. Daraufhin wurde bei den zuständigen Gesundheitsämtern der Antrag gestellt, Fitnesstraining als medizinische Notwendigkeit einzustufen. Dazu wurden drei Szenarien mit folgenden Ergebnissen durchgeführt: Reine Fitnessstudios, die zuvor keine entsprechenden Gesundheitsangebote hatten, haben kaum eine Chance. Besser stand es um Gesundheitsstudios mit integrierter Physiotherapie und Physiotherapie-Anlagen mit integriertem Trainingsbereich. Sein Fazit: Mit physiotherapeutischen Angeboten geht alles leichter.
Verkürzter Studiengang „Physiotherapie“
Diese Einschätzung konnte Tayfun Babayigit, der in Bonn mehrere Physiotherapie-Praxen betreibt, aus eigener Erfahrung bestätigen. Aus Platzgründen ging er während der Pandemie eine Kooperation mit einem Fitnessstudio ein und eröffnete in dessen Räumlichkeiten eine Außenstelle. Die Kooperation wurde sowohl für den Physiotherapeuten als auch für das Studio zum Erfolgsmodell, das Tayfun Babayigit mit Überzeugung empfiehlt.
Ein Physiotherapeut im Studio erscheint nach diesen Erfahrungen als wichtiger Schritt in die Systemrelevanz. Doch woher nehmen, wenn nicht stehlen? Physiotherapeuten wachsen nicht auf den Bäumen. Selbst, wenn man als Studioinhaber mit dem Gedanken spielt, in seinen Räumlichkeiten ein physiotherapeutisches Angebot zu implementieren, benötigt man die entsprechenden Mitarbeiter. Doch die sind derzeit rar. Die Lösung für dieses Problem stellte Prof. Dr. Konstantinos Karanikas von der Fachhochschule des Mittelstands vor: Einen drastisch verkürzten Studiengang zum Physiotherapeuten B. Sc. für Studierende, die bereits einen Bachelor im Bereich Sport oder Fitness erworben haben. Dieser neue Studiengang wurde auf Anregung des DFAV e.V. und des BVGSD e.V. konzipiert. Prof. Karanikas wies in seinem Vortrag darauf hin, dass bislang lediglich etwa 2-3 % der Physiotherapeuten akademisiert sind. In Zukunft werde jedoch gerade diese Kombination aus Praxis und Wissenschaft immer mehr an Bedeutung gewinnen.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen auch Dr. Michael Schafisade und sein Kollege Marco Kölsch von der Firma Schupp. Sie sehen in der Implementierung physiotherapeutischer Einrichtungen in Sportstudios eine große Chance, zumal die Rentabilität ausgezeichnet ist und die Vergütungen in den letzten zwei bis drei Jahren deutlich gestiegen sind. Aber auch sie wiesen auf das Ungleichgewicht zwischen einer steigenden Zahl Patienten und aktuell zu wenigen Therapeuten hin.
Rehasport ist systemrelevant
Bernd Schranz, 1. Vorsitzender des RehaVitalisPlus e.V. ist seit vielen Jahren ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet des Rehasports. Unter diesem Aspekt beleuchtete er den Begriff der Systemrelevanz und die in dessen Definition geforderten „kritischen Infrastrukturen“. Da diese nur auf Behandlungsmaßnahmen abzielen und das weite Feld der Prävention komplett ausschließen, kann Rehasport zu einem wichtigen Tool werden, wenn es um die Anerkennung der Systemrelevanz geht. Denn die zu einer Verordnung nach § 64 Sozialgesetzbuch von einem Rehatrainer erbrachte Leistung gilt als therapeutische Behandlung. Das macht Rehasport systemrelevant. 14 der 16 Bundesländer haben daher Rehasport während der Lockdowns erlaubt, einige mit Restriktionen.
Auch Dr. Frank Eger von Bodywave hält eine stärkere medizinische Ausrichtung der Qualitätsstudios mit Blick auf die Systemrelevanz für absolut sinnvoll. Seine Konzepte bauen auf den Überlegungen des leider kürzlich verstorbenen Erfinders des Fitnessführerscheins Thomas Röhrle auf. Zumal immer mehr Menschen der schnell wachsenden Mitgliedergruppe zwischen 40 und 70 Jahren durch medizinische Probleme den Weg ins Studio finden oder während ihrer Mitgliedschaft mit zunehmendem Alter entwickeln. Ihnen kann man vor allem durch qualifizierte Betreuung Unterstützung anbieten, eine medizinische Trainingstherapie mit fachlicher Betreuung oder durch Krankengymnastik am Gerät, die bis zur Installation einer ganzen Physiotherapie erweitert werden kann. Dazu kommt die Gesundheitsberatung als wichtige Schnittstelle zwischen Patient, Arzt, Krankenkasse und Unternehmen.
Fazit
Das Online-Symposium bot zwei Stunden lang eine geballte Flut an wichtigen Informationen. Die muss man natürlich erst einmal in aller Ruhe „sacken“ lassen, bevor Fragen zu den verschiedenen Themen aufkommen. Unsere Referenten sind darauf vorbereitet und freuen sich, einzelne Aspekte ihrer Vorträge zu vertiefen.
Richten Sie Ihre Fragen gerne an: redaktion@fitnessnews-germany.de
Bild: FNG Redaktion