Neurozentriertes Training: Mehrwert für Fitnessstudios

Im Gespräch mit Patrick Meinart, Head Coach von Release Fitness in Niederkassel, lernen wir die verschiedenen Facetten des neurozentrierten Trainings kennen. Wie können Fitnessstudios jetzt das nervensystem-basierte Training als Mehrwert für ihre Kunden in ihr Konzept integrieren und was ist für Trainer wichtig?

Was ist neurozentriertes Training?

Neurozentriertes Training wird zur Prävention oder Heilung von neurologischen Störungen ohne Medikament eingesetzt. Das betrifft beispielsweise Menschen mit Parkinson, Multiple-Sklerose, Schädel-Hirn-Trauma, Epilepsie oder Migräne. Im athletischen Training trägt neurozentriertes Training zur Erhöhung der sportlichen Leistungsfähigkeit bei – mit dem sogenannten Neuroathletiktraining. Neurozentriertes Training optimiert die Funktion von Rezeptoren und Nervensystem durch eine verbesserte Vernetzung von Gehirn, Nervensystem und Muskulatur.

„Die Anwendung von neurozentriertem Training liegt einem Grundverständnis der Neuroanatomie zugrunde. Nur so können neuronale Störungen und Hirnareale, in denen sie liegen, verstanden und gezielte Übungen eingesetzt werden.“

Patrick Meinart, Release Fitness

Rund 30 Areale im Gehirn sind allein fürs Sehen zuständig, sodass beispielsweise visuelle Trainingsreize vielseitig einsetzbar sind. Diese neurozentrierten Übungen sind immer ein Zusatz zu klassischen Fitnessübungen.

Neurozentriertes Training ist also die Kirsche auf der Trainingstorte und ist als Ergänzung, nicht jedoch als reiner Ersatz zum klassischen Training, zu verstehen.

Relevanz für Fitnessstudios

Bislang findet neurozentriertes Training besonders in Boutique- oder Personal Trainingsstudios Anwendung. Jedoch können auch Fitnessstudios, mit der Angebotserweiterung mit neurozentriertem Training, einen enormen Mehrwert für ihre Mitglieder schaffen. Grundvoraussetzung ist ein 1:1 Training, das einen individuellen Ansatz des Trainings für den Einzelnen zulässt. Neurozentriertes Training findet nicht an Großgeräten statt. Mit dieser besonderen Spezialisierung können Studios sich maßgeblich von Mitbewerbern abheben und das angebotene Personal Training in den Fokus rücken. Kunden im Personal Training werden ihre Ziele schneller erreichen und neue Bewegungsmuster schneller erlernen. Auf diese Weise entsteht eine nachhaltigere Trainingsgestaltung. Konkrete Marketing-Kampagnen erweitern die Zielgruppe und sprechen bestenfalls Menschen an, die unter neuronalen Störungen leiden und sich eine Verbesserung der Symptomatik wünschen.

„Chronische Schmerzen können dadurch langfristig verringert oder bereits im Voraus vorgebeugt werden und das ohne Medikamente!“

Patrick Meinart, Release Fitness

Es wird deutlich, dass Fitnessstudios durch solche Stellschrauben maßgeblich an Systemrelevanz gewinnen.

Integration im Fitnessstudio

Ein Beispiel, wie solche Stellschrauben eingesetzt werden können, liefern Simone und Michael Dreier, Geschäftsführung des ampano Sport- und Gesundheitszentrums in Gütersloh. Simone Dreier ist selbst seit vielen Jahren als Personal Trainerin tätig, wobei neurozentriertes Training ein fester Bestandteil ist. Das Studio schloss während der Pandemie nicht einfach seine Tore, sondern war durchgehend in engem Kontakt mit seinen Mitgliedern. Persönliche Gespräche gaben Aufschluss über Bedürfnisse und Anliegen worauf das Unternehmen reagierte, Bewegungsmangel und ausbleibenden Fitnesseinheiten verstärkten körperliche Probleme, Schmerzen und Atemnot, sodass Personal Training während der Lockdowns mehr in den Fokus der Mitglieder rückte.

„Wir machten die Erfahrung, dass jede Krise eine Chance mitbringt. Uns war klar: Wenn wir in der Branche wahrgenommen werden wollen, müssen wir einen Mehrwert für die Mitglieder schaffen.“

Simone Dreier, ampano Gütersloh

Es erfolgten Umbaumaßnahmen für einen reinen Analyse-Raum, in dem Screenings, Tests, Coaching und Auswertungen stattfinden können. Auf diese Weise wurde es möglich ganz konkret jedem Kunden die individuell erforderlichen Maßnahmen zu bieten, um ein zielgerichtetes Training zu etablieren. Dabei lernen die Kunden ihren Körper und ihr Training besser zu verstehen.

„Ganz besonders haben wir den ganzheitlichen Ansatz in den Mittelpunkt unseres Angebots gerückt. Fitnesstraining ist nicht nur stumpfes Gewichte-schieben, sondern Körper und Geist müssen als Ganzes betrachtet und verstanden werden.“

Simone Dreier, ampano Gütersloh

Darüber hinaus wurde in eine Software von Medocheck investiert, mit der alle Analyse-Tests und Screening-Verfahren leicht umsetzbar und für den Kunden verständlich darstellbar sind. Außerdem wurden neue, sehr gut qualifizierte Trainer eingestellt, die den Anforderungen des neuen Angebots gerecht werden.

Kommunikation als Schlüssel

Die größte Herausforderung bei einem ganzheitlichen Trainingsansatz ist die Kommunikation und Interaktion mit den Mitgliedern

„Wir müssen in Aktion treten und auch spontan in Gespräche gehen können. Alle Team-Mitglieder müssen die gleiche Sprache sprechen, damit wir langfristig den Erfolg mit diesem Konzept haben, den wir uns erhoffen.“

Simone Dreier, ampano Gütersloh

Trainer für neurozentriertes Training werden

Die Thematik des neurozentrierten Trainings ist sehr komplex. Wer sich als Trainer in diesem Bereich weiterbilden möchte, sollte ein Grundverständnis für Anatomie und Neurologie, sowie eine hohe Lernbereitschaft, mitbringen. Eine Ausbildung eignet sich besonders für Therapeuten oder Personal Trainer, die schon eine Weile als solche gearbeitet und keine Scheu vor körperlicher Nähe mit Kunden haben.

„Gerade im neurozentrierten Training arbeiten wir viel mit Hands-On Techniken, welche eine gewissen Nähe mit dem Kunden voraussetzen.“

Patrick Meinart, Release Fitness

Darüber hinaus muss im Voraus eine umfassende Analyse der Wahrnehmungsorgane und eine Lifestyle Analyse erfolgen, die Ernährung und Gewohnheiten, sowie Stressfaktoren mit einbezieht. Erst dieser ganzheitliche Blick auf den individuellen Kunden, lässt ein spezifisches und gegebenenfalls symptomorientiertes Training zu. „Das Training mit neurozentriertem Ansatz richtet sich weg vom Output-orientiertem Training, hin zu Input-orientiertem Training. Das bedeutet, das Training wird nicht anhand der Muskelkapazitäten aufgebaut, sondern auf Rezeptorebene, die die Signale des Nervensystems fördert.“ (Patrick Meinart)

„Bei jeder Angelegenheit, die unseren Körper betrifft, sollte der Körper ganzheitlich betrachtet werden und verschiedene Aspekte in das Training oder die Therapie mit einbeziehen. Das steht beim neurozentrierten Training besonders im Fokus.“

Patrick Meinart, Release Fitness

Über unseren Interviewpartner Patrick Meinart und Release Fitness

Seit 2012 beschäftigt sich Patrick Meinart intensiv mit dem neurozentrierten Training und bildet seit 2016 mit seiner Release Fitness Academy Trainer aus und weiter. Sein Konzept liegt Methoden von Dr. Eric Cobb, der bereits vor über 20 Jahren ein Trainingskonzept basierend auf neurowissenschaftlichen Erkenntnissen entwickelte, zugrunde.

Übrigens: Zum Thema Systemrelevanz in der Fitnessbranche veranstaltet der DFAV e.V. mit dem BVGSD e.V. eine kostenlose Online-Veranstaltung am 14. und 15. Oktober: „Der Weg in die Systemrelevanz – Vom Abo zur Verordnung“

Bild: Release Fitness

Fibo

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