Welche Rolle spielt die mentale Verfassung?

Tobias Lautwein, Hyrox-Weltmeister 2021 und Europameister 2022, schafft es bei wichtigen Wettkämpfen immer wieder, auf den Punkt in Form zu sein. Neben der physischen setzt er dazu konsequent auch auf die mentale Vorbereitung. Wie ihm das gelingt, hat uns der vierfache Familienvater im nachfolgenden Interview verraten.

FNG: „Tobias, kannst du uns mehr über die Zusammenarbeit mit deinem Mentalcoach Björn Picker erzählen? Wie hat er deine mentale Stärke beeinflusst?“

Tobias Lautwein: „Ich kenne meinen Freund und Mentalcoach Björn Picker nun seit einem Jahr. Bereits von Anfang an habe ich gemerkt, dass er genau meine Sprache spricht und es schafft, mich zu Höchstleistungen anzutreiben. Es gelingt ihm immer wieder sowohl im Training als auch im Wettkampf meine Konzentration zu erhöhen und einen stärkeren Fokus auf die Bewegung und den Kampfgeist zu setzen. Somit fallen unnötige Ablenkungen von außen zunehmend weg.

„Brenne für das, was dich begeistert.“ Mit diesem Satz hat er mich geprägt. Ich halte mir immer wieder vor Augen, was mich antreibt und wofür ich etwas mache. Björn ist in der Lage, vor einem wichtigen Wettkampf durch fokussierende Gespräche und verschiedene Rituale meinen Fokus zu stärken, dass ich auf den Punkt meine maximale Leistungsfähigkeit abrufen kann. Nach unseren Gesprächen fühle ich mich viel wacher und leistungsbereiter. Ich schätze ihn nicht nur als Mentaltrainer sehr, sondern auch als Mensch. Er hat ein unfassbar gutes Gespür für die Bedürfnisse seiner Athleten.“

FNG: „Du kannst Höchstleistungen auf die Sekunde genau abrufen. Welche Techniken oder Methoden nutzt du, um diese Präzision zu erreichen?“

Tobias Lautwein: „Ja, das stimmt. Früher fiel es mir immer sehr schwer, bei wichtigen Wettkämpfen meine maximale Leistung abzurufen. Dies gelingt mir nun deutlich besser. Das liegt zum einen an meiner nötigen Lockerheit im Vorfeld von wichtigen Wettkämpfen und zum anderen an meiner Erfahrung, wie ich ein Rennen anzugehen habe. Ich lasse mich nicht von anderen Personen beeinflussen oder im Vorfeld nervös machen. Durch Meditation, ich nenne es eher Konzentrations- und Fokustraining, konzentriere ich mich nur auf mich selbst und kann somit noch mehr Energie freimachen. Ich finde kurz vor dem Wettkampf noch mal meine innere Ruhe und mobilisiere zur richtigen Zeit alle Kräfte, die in mir stecken. Das bekommt man natürlich nur über jahrelanges Training hin. Ich bin mir zu jeder Zeit meiner Stärken, aber auch meiner Schwächen bewusst. Zudem lasse ich mich nicht aus der Ruhe bringen und ziehe meinen Rennplan, den ich im Vorfeld gemeinsam mit meinem Mentaltrainer erarbeitet habe, durch. Positive Denkweisen helfen ebenfalls im Wettkampf den roten Faden nicht zu verlieren, genauso die Fähigkeiten nicht locker zu lassen, dranzubleiben und nicht aufzugeben.“

FNG: „Lassen sich diese Techniken auch im Alltag oder im Berufsleben anwenden?“

Tobias Lautwein: „Sicherlich sind die mentale Einstellung und Mentaltechniken aus dem Sportbereich auch auf den Alltag und das Berufsleben zu übertragen.
Durchhaltefähigkeit, Disziplin, Ehrgeiz, Offenheit, Ehrlichkeit zu sich selbst und anderen, positive Denkweisen, Fokus schärfen, konzentriert bleiben sind unter anderem wichtige Eigenschaften, die allen Menschen im Alltag zugutekommen, aber auch im Berufsleben sicherlich von Vorteil sind.“

Links Tobias Lautwein, Rechts Mental Coach Björn Picker

FNG: „In welchem Verhältnis steht die mentale im Vergleich zur physischen Vorbereitung?“

Tobias Lautwein: „Sowohl die mentale als auch die physische Vorbereitung sind enorm wichtig für einen Spitzensportler. Die mentale Komponente wird meines Erachtens deutlich unterschätzt. Die körperliche Vorbereitung funktioniert nur optimal, wenn eine gewisse innere Balance besteht. Im Prinzip muss der Kopf frei von Sorgen und Nöten sein. Erst dann kann man sich vollends auf sein Training und den Sport konzentrieren. Das Potenzial von mentaler Stärke im Sport ist riesengroß. Der Mensch ist in der Lage, durch regelmäßiges Mentaltraining enorme Leistungen zu erzielen.“

FNG: „Wie gehst du mit dem Druck um, ständig auf höchstem Niveau performen zu müssen, besonders bei großen Events?“

Tobias Lautwein: „Der Druck spielt bei mir eine nicht mehr so große Rolle. Letztendlich macht man sich den Druck meistens selbst. Man möchte anderen Menschen gefallen. Ich sage mir immer wieder, wofür mache ich den Sport, wofür lasse ich mich zu Höchstleistungen motivieren und antreiben? In erster Linie für mich selbst. Für das eigene Wohlempfinden. Ich bin sehr dankbar für meine erreichten Erfolge im Sport. Das größte Glück ist jedoch meine Familie mit vier gesunden Kindern. Alles, was im Sport jetzt noch kommt, ist Zugabe. Durch die nötige Lockerheit verfliegen der Druck und die meiste Aufregung wie von selbst.“

FNG: „Denkst du, dass die mentale Stärke gerade im Hochleistungssport zu wenig berücksichtigt wird?“

Tobias Lautwein: „Ja, definitiv. Hier möchte ich gerne meinen Mentaltrainer Björn Picker zitieren: „Mentale Stärke ist, in schwierigen Situationen seine Grenzen zu verschieben. Um den Fokus zu schärfen, braucht es einen Außenstehenden, der den Sportler darauf hinweist.  Die mentale Stärke ist unbedingt mit der physischen Stärke zu verbinden, denn die Seele formt den Körper. Wenn das Innere stimmt und du mit dir im Reinen bist und du dir deiner Schwächen bewusst bist, dann bringt das einen enormen Leistungsschub nach vorne. Eine innere Balance bringt eine äußere Freiheit gut zu performen, selbstbewusst zu sein. Ein besseres Selbstbewusstsein treibt einen zu mehr Höchstleistung.“

Ich denke, dass diese mentalen Aspekte bei Spitzensportler noch deutlich ausgebaut und geschärft werden sollten. Dies ist aber nicht so offensichtlich notwendig, wie beispielsweise seine Kraft, seine Ausdauer oder seine Schnelligkeit zu trainieren und wahrscheinlich sind die mentalen Bereiche auch noch nicht so gut erforscht wie die physischen Bereiche. Hinzu kommt, dass mentales Training sehr individuell angepasst werden muss und nicht so einfach zu trainieren ist. Jedem Sportler kann ich nur raten, sich mit der mentalen Komponente noch besser auseinanderzusetzen. Denn mentale Stärke kann Wunder, nicht nur im Sport, bewirken.“

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