1956 eröffnete Harry Gelbfarb in Schweinfurt das erste Sportstudio in Deutschland. In diesem Jahr blickt die Branche auf 65 Jahre Erfolgsgeschichte der Sportstudios zurück. Doch damals hätte sich niemand vorstellen können, dass die Zahl der Fitnessanlagen einmal in den fünfstelligen Bereich klettern würde.
Alte Idee zu neuem Leben erweckt
Wirklich neu war die Idee eines Muskel- und Krafttrainings gegen wachsende Widerstände nicht. Milon von Kroton gilt als Pate des progressiven Gewichtstrainings, also eines Trainings mit zunehmend steigender Belastung. Die Legende will es, dass der siebenfache Olympiasieger im 6. Jahrhundert vor Chr. schon als Kind zum Training ein Kälbchen auf den Schultern trug. Gemeinsam wuchsen die beiden heran. Das Kälbchen zu einem ausgewachsenen Stier und Milon, weil er das wachsende Kälbchen weiter durch die Gegend trug, zu einem Koloss von Mann, der während seiner langen sportlichen Karriere keinen Gegner zu fürchten hatte.
An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war man schon weit fortschrittlicher. In Sportstudios gab es bereits Hanteln und diverse andere Gerätschaften, mit denen der Körper in Form gebracht werden sollte. Das war zu jener Zeit der „letzte Schrei“. Getragen wurde dieser erste große Boom des Körperkults tatsächlich vor allem durch Intellektuelle, die sich für die Trainingssysteme von Eugen Sandow oder George Hackenschmidt begeisterten.
Keine hohen Ansprüche in Sportstudios
In den Nachkriegsjahren entwickelte sich in den USA, wo die Weider-Brüder sich anschickten, ein Imperium aufzubauen, und vor allem auch in England mit der alljährlichen Wahl des Mr. Universums bereits eine richtige Szene, mit ersten Stars wie Steve Reeves, Bill Pearl oder Reg Park. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis der Trend auch Deutschland erreichte.
Die frühen Studios hatten mit den modernen Fitness- und Gesundheitsanlagen nicht viel gemeinsam. Trainiert wurde vornehmlich mit freien Gewichten. Die ersten Maschinen waren gleichsam Experimente. Es gab noch keine Fitnessindustrie, die im Jahresrhythmus mit neuen Innovationen aufwartete und keine FIBO, wo man die neuesten Technologien aus aller Welt bestaunen konnte. Aber es gab immer irgendeinen kraftsportbegeisterten Schlosser im Umfeld, der in den Anfangsjahren in seiner Werkstatt an der Verbesserung eines Zugturms oder einer Wadenmaschine bastelte. Nicht immer war das Ergebnis von Erfolg gekrönt. Da konnte auch schon mal eine Maschine mit so ungünstigen Übersetzungsverhältnissen den Weg in ein Studio schaffen, dass man hinten 5 kg auflegen und vorne an der Zugstange einen erheblich höheren Widerstand bewegen musste. Nicht im Sinne des Erfinders, aber die wenigen Mitglieder in den ebenso seltenen Studios stellten auch noch keine hohen Ansprüche. Hauptsache auf den Ablagen lag genügend Eisen.
Heute werden die 60er und 70er auf den Social Media-Kanälen als „Golden Ära“ gefeiert. Sogar von Menschen, die zu jener Zeit noch gar nicht geboren waren. Ob wirklich alles golden war, sei einmal dahingestellt. Auf jeden Fall haben zahlreiche Anekdoten von damals, den Weg in unsere Tage geschafft. Während heute ein möglichst großer Cardiobereich in jeder Qualitätsanlage eine Selbstverständlichkeit ist, wurden die ersten Ergometer in den Studios noch kritisch begutachtet. Oft ersparte man sich einfach den Weg in die Garderobe und hängte Jacken und Trainingstaschen an den Lenkern auf. Wirkliche Begeisterung entfachten sie jedenfalls nicht.
Aerobic-Welle lockt Frauen in die Studios
Mit Beginn der 80er Jahre fanden übrigens auch immer mehr Frauen den Weg in die Studios. Auslöser war vom allem die erste Aerobic-Welle, die aus den USA zu uns herüberschwappte, nachdem Hollywood-Ikone Jane Fonda im April 1982 ihr Aerobic-Workout als Video auf den Markt gebracht hatte. Ein Jahr später folgte mit Sydne Rome ein weiterer Filmstar ihrem Vorbild.
Sprung in die Moderne
Als der Amerikaner Arthur Jones 1970 seine erste Trainingsmaschine mit einem Exzenter präsentierte, war das wie ein Dammbruch. In den folgenden Jahren nahm die Entwicklung neuer Trainingsmaschinen von Amerika ausgehend einen steilen Verlauf. Es war die Zeit des klassischen Bodybuildings. Wer in ein Studio ging, wollte Muskeln aufbauen. Und zwar möglichst viel davon. Niemand wäre damals auf die Idee gekommen, ein Studio wegen seiner Rückenprobleme aufzusuchen. Auch ältere Menschen gab es kaum, schon gar nicht in einem Alter, wie man sie heutzutage in jedem Studio findet. Die Mitgliedszahlen hielten sich in überschaubaren Grenzen. Dafür gab es einen großen Zusammenhalt. Es ging alles noch sehr familiär zu, man kannte sich.
Doch in den 70er Jahren entwickelte sich langsam so etwas wie eine Studiolandschaft in Deutschland. Noch immer ging es sehr spartanisch zu. In den meisten Studios waren die Zeiten streng reglementiert. Eine mehrstündige Schließung während der Mittagszeit war üblich. Mitte der 80er Jahre boomte Fitness schließlich weltweit. Hollywoods Action Heros wie Arnold Schwarzenegger und Sylvester Stallone hatten Muskeln salonfähig gemacht. Bizeps und Sixpack hatten Hochkonjunktur. Aus der einstigen Subkultur wurde eine Mainstream-Bewegung. Innerhalb weniger Jahre explodierte die Zahl der Sportstudios. Um sie herum entstand eine komplexe Industrie, die immer raffiniertere Maschinen, Sporternährung und Funktionsbekleidung auf den Markt brachte. Alljährlich präsentiert auf der FIBO, die sich seit der ersten Veranstaltung in den Kölner Messehallen 1985 zu einer Weltmesse entwickelt hat, die immer wieder mit Spannung erwartet wird.
Bedeutung der Studios für die Gesundheit erkannt
Bis man die Bedeutung der Studios für die Gesundheit erkannt hatte, dauerte es wieder eine Weile. Die „alten Hasen“ waren davon zwar immer schon überzeugt, doch die Belege fehlten. Erst in den 2000er Jahren setzten sich auch immer mehr Wissenschaftler mit dem Phänomen Muskulatur auseinander. Mit bahnbrechenden Ergebnissen. Die Orthopäden waren die ersten, die erkannten, wie wichtig eine ausreichend trainierte Muskulatur für den Schutz und die Stabilisierung der Gelenke und der Wirbelsäule ist. Ihnen schlossen sich immer mehr Vertreter anderer Fachrichtungen an. Mittlerweile gilt selbst ein bestehender Bluthochdruck nicht mehr als generelles Ausschlusskriterium, solange man beim Training einige Faktoren beherzigt.
Noch immer können in regelmäßigen Abständen neue Erfolgsmeldungen über die positiven Auswirkungen eines gezielten Muskeltrainings auf das körperliche und geistige Wohlbefinden verkündet werden. Daher steht eines schon jetzt fest: Auch nach 65 Jahren hält die Erfolgsgeschichte der Sportstudios in Deutschland an und ist noch lange nicht zu Ende erzählt.
Bild: FNG