Es ist noch gar nicht lange her, da herrschte allenthalben Einigkeit darüber, dass die routinemäßige Erfassung der wichtigsten für die Herzgesundheit bedeutsamen Faktoren mit Eintritt in die 5. Lebensdekade einsetzen sollte. Erst mit dem 40. Geburtstag trat der Mann in das gefährdete Alter ein, Frauen galten aufgrund ihres höheren Östrogenspiegels bis zur Menopause als weitgehend geschützt. Rein statistisch gesehen war ein Infarkt zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr eine Ausnahme, und dann war der Weg mehrheitlich durch Erbkrankheiten bereitet.
Diese Statistiken werden wohl zukünftig nur noch von Medizinhistorikern verwendet werden können. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass die Zahl der Infarkte und Schlaganfälle bei Menschen im jungen Erwachsenenalter dramatisch steigen wird. Schon heute gibt es immer mehr Jugendliche, die bereits während der Pubertät ein hohes Risikoprofil aufweisen. Sie nehmen eine Hypothek auf ihre Herzgesundheit mit ins Erwachsenenalter, an der nicht nur sie selbst, sondern auch die Gesellschaft schwer zu tragen haben wird.
Chatten statt bewegen
Schuld an dieser Entwicklung sind zum Beispiel immer ungünstigere Essgewohnheiten schon im Kindesalter. Mehr noch trägt die chronische Bewegungsarmut in einer Entwicklungsphase, in der man eigentlich noch „Bäume ausreißen“ sollte, ihren Teil bei. Doch statt sich, wie von der Natur vorgesehen, dem Höhepunkt der körperlichen Leistungsfähigkeit zu nähern, findet sich bei immer mehr Jugendlichen ein Typ II Diabetes. Dabei ist der eigentlich erst mit der zweiten Lebenshälfte assoziiert, ebenso wie Hypertonie und ein gestörter Fettstoffwechsel.
Bei vielen Betroffenen ist der direkte Bezug zu ihrer Fitness unübersehbar. 5 Kilometer am Stück zu laufen ist ihnen ebenso unmöglich wie ein Klimmzug mit dem eigenen Körpergewicht.
Alles Dinge, die in dem Alter selbstverständlich sein sollten. Langfristig werden wir nicht umhinkommen, die Altersgrenze immer weiter herabzusetzen, von der an die Risikofaktoren für Herzerkrankungen vom Hausarzt in regelmäßigen Abständen überprüft werden sollten.
Aufhalten lassen wird sich dieser Trend zu einer immer stärkeren Vernachlässigung des eigenen Körpers wahrscheinlich nicht. Selbst nicht durch noch so gut gemeinte Aufklärungs-Kampagnen. Auch in Europa werden wir wohl in absehbarer Zeit auf der einen Seite eine Vielzahl von Menschen sehen, die immer übergewichtiger werden. Auf der anderen Seite sehen wir Menschen, die sich den ganzen Tag mit ihrem Körper beschäftigen. Das eine ist so unvernünftig wie das andere.
Wie immer gilt es auch hier, den goldenen Mittelweg zu finden. Ständiges Hungern für den „Waschbrettbauch“ kann vor allem ältere Menschen vor eine ebenso große Stresssituation stellen wie 30 kg Übergewicht. Von möglichen Nährstoffmängeln gar nicht zu reden.
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