Ärztinnen und Ärzte sollen Patienten zum Sport bewegen mit dem Rezept auf Bewegung
Immer mehr Wissenschaftler und Politiker sind sich einig: Regelmäßige Bewegung ist die beste Medizin. In weiten Teilen der Bevölkerung kommt davon allerdings nur wenig an. Über 28 Millionen Menschen in Deutschland treiben überhaupt keinen Sport. Damit ist die Tendenz zum Sport in den letzten fünf Jahren zwar leicht gestiegen, doch noch immer gibt es reichlich Luft nach oben. Um mehr Menschen zu animieren, etwas für ihre Fitness und Gesundheit zu tun, könnten Ärztinnen und Ärzte einen wichtigen Beitrag leisten, so der Tenor eines Gipfeltreffens, das am 17. Juni auf Einladung des Sports, Medicine and Health Summit an der Universität Hamburg stattgefunden hat.
Keine Vergütung für eine derartige Leistung
Der Einladung kamen mehr als 30 Persönlichkeiten aus mehr als 20 Institutionen aus Politik,
Sport, Medizin und Krankenkassen nach. Im Mittelpunkt des einführenden Workshops stand die Frage, wie man Ärztinnen und Ärzte, die beim Thema gesundheitliche Prävention einen besonders großen Vertrauensvorschuss bei vielen Menschen genießen, noch stärker aktivieren könne. Ziel ist es, die Verschreibung von Bewegung gezielt als wichtiges Instrument zu nutzen, um mehr Menschen an sportliche Aktivitäten heranzuführen. Ein schriftlicher Appell, wie eine Verschreibung, wirkt nachhaltiger und verbindlicher als ein gut gemeinter mündlicher Rat. Gründe für die zögerliche Beratung zur Bewegung wurden im Rahmen dieses ersten Gipfeltreffens „stellenweise hitzig diskutiert“ so Prof. Winfried Banzer, Mitautor der Nationalen Bewegungsempfehlungen.
Dabei wurden gleich mehrere Hürden ausgemacht, die es zu beseitigen gilt, um die Akzeptanz in der Ärzteschaft für das Thema zu verbessern. Zum einen hinkt der Wissensstand in der ärztlichen Praxis häufig dem Stand der Forschung hinterher. Zum anderen sieht das aktuelle Abrechnungssystem keine Vergütung für eine derartige Leistung vor. Dazu machten die Expertinnen und Experten in Hamburg die mangelnde Vernetzung zwischen Ärzten und den Anbietern von Sport und Bewegungskursen als ein weiteres Defizit aus. Prof. Banzer sieht dieses Treffen in Hamburg als ganz wichtigen Schritt: „Nur gemeinsam können wir das schaffen. Wenn jede Interessensgruppe glaubt, in ihrem kleinen Reich bleiben zu können, dann kommen wir nicht weiter.“
Begriffliche Trennung von Prävention und Therapie
In der anschließenden Podiumsdiskussion wurden die bereits zuvor angesprochenen Aspekte noch einmal aufgegriffen und vertieft. Neben Joachim Becker, zuständig für den Bereich Prävention im Bundesministerium für Gesundheit und Kerstin Holze, Vize-Präsidentin des Deutschen Olympischen Sportbundes, Tanja Obst, Leiterin des Geschäftsbereichs Leistung der DAK-Gesundheit, saßen auch Prof. Braumann, Hamburger Sportmediziner und Ehrenpräsident der Deutschen Gesellschaft für
Sportmedizin und Prävention, und Christoph Holstein, Sportsstaatsrat der Hamburger Behörde für Inneres und Sport, im Podium.
So wurde Staatsrat Holstein gleich zu Beginn mit den Worten zitiert: „Ärztinnen und Ärzte können eine Schlüsselfunktion in der Bewegungsförderung übernehmen – wir wollen Ärztinnen und Ärzte in Hamburg ermutigen, häufiger zu Bewegung zu beraten“.
Prof. Braumann ärgerte sich über die begriffliche Trennung von Prävention und Therapie und den sich damit verändernden Zuständigkeiten bei Krankenkassen: „Für mich ist es ganz klar: Man mogelt sich um die Zuständigkeiten herum.“ Für ihn ist die therapeutische Wirksamkeit längst hinreichend belegt. Ähnlich sah es Kerstin Holze, die Sport und Bewegung mit dem Fokus Gesundheit und Prävention strukturell im Bundesministerium für Gesundheit verankert sehen möchte. Joachim Becker nahm die Vorlage auf und versprach, die „guten Impulse“ in ein Gespräch mit dem Bundesgesundheitsminister, Karl Lauterbach, zu nehmen.
Einigkeit herrschte über die Bedeutung einer intensiveren Zusammenarbeit und eines engen Austauschs zwischen allen Beteiligten.
Die Beteiligten des SMHS Gipfeltreffens
Neben der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP), dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), der DAK-Gesundheit, der Universität Hamburg sowie der Innenbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg, die als Mitveranstalter dieses Treffen ausgerichtet haben, war unter anderem auch die Bundesärztekammer, der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek), die deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs), der Deutsche Verband für
Gesundheitssport und Sporttherapie (DVGS), der Bundesverband Niedergelassener Kardiologen (BNK), die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) sowie der Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheitsanlagen (DSSV) und der Hamburger Sportbund (HSB) vertreten.
„Das war ein guter Einstieg in eine noch intensivere Zusammenarbeit der verschiedenen wichtigen Akteure, um Bewegungsförderung in unterschiedlichen Settings erfolgreich umzusetzen und insbesondere ein Rezept für Bewegung als ein wichtiges Tool zu stärken. Wir machen hier weiter!“, sagt Dr. Nils Schumacher, Initiator des Gipfeltreffens und einer der Organisatoren des Summits.
Bild: FNG
Weitere Infos unter:
„Rezept auf Bewegung!?“ Veranstaltung am 17.06.2022
https://www.sports-medicine-health-summit.de/events/bewegung-auf-rezept.html