Inhaltsverzeichnis
6. Physio- und Trainingstherapie bei verschiedenen Symptomatiken. 7
6.1 Motorische und zerebelläre Störungen. 7
6.2 Sensibilitätsstörungen. 12
6.3.1 Manifestationen und Diagnostik. 14
6.4 kognitive Beeinträchtigungen. 16
7.1 Therapie der motorischen Störungen. 18
7.2 Therapie bei Sensibilitätsstörungen. 18
7.3 Therapie bei Miktionsstörungen. 19
7.5 Therapie bei kognitiven Beeinträchtigungen. 20
8.1 Störfaktoren der überprüften Studien. 21
8.2 Beantwortung der Fragestellung. 23
8.3 Theorie-Praxis Transfer. 23
Abkürzungsverzeichnis
DMSG Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft
MFIS Modified Fatigue Impact Scale
MRT Magnetresonanztomographie
MS Multiple Sklerose
TENS transkutane Elektro-Neurostimulation
WEIMuS Würzburger Erschöpfungs-Inventar bei Multipler Sklerose
ZNS zentrale Nervensystem
1. Einleitung
Die Multiple Sklerose (MS) ist eine autoimmune, degenerative Erkrankung des zentralen Nervensystems, welches das Gehirn und das Rückenmark beinhaltet. Sie wird in der lateinischen Fachsprache auch Enzephalomyelitis disseminata bezeichnet, was so viel bedeutet wie verstreut auftretende Entzündungen. Die Ursachen dieser Entzündungen sind bis zum heutigen Zeitpunkt noch nicht genau geklärt, doch es wird ein Zusammenspiel von mehreren Auslösern vermutet (vgl. DMSG 2021).
MS ist eine häufige, neurologische Erkrankung von der weltweit ca. 2,5 Millionen Menschen betroffen sind. Da sich diese Krankheit sowohl von ihrem Verlauf, als auch der Ausprägung und den Symptomen sehr stark unterscheidet, kann keine allgemeine Prognose vorhergesagt werden. Umgangssprachlich wird sie daher auch als die „Krankheit mit den 1000 Gesichtern“ (DMSG 2021) bezeichnet. Auch die Therapie ist deswegen für jeden Patienten* individuell. Neben der medikamentösen Behandlung, spielen physikalische Maßnahmen hierbei eine große Rolle.
In dieser Ausarbeitung liegt der Fokus auf der Physio- und Trainingstherapie bei MS-erkrankten Menschen. Die dafür notwendigen Grundkenntnisse dieser Krankheit werden vorweg erläutert.
Um besser zu verstehen was die Krankheit mit sich bringen kann, werden die verschiedenen Verlaufsformen, wie die chronisch progrediente MS, die schubförmige remittierende MS und die sekundär chronisch progrediente MS erklärt. Außerdem wurden die Therapiemöglichkeiten auf die unterschiedlichen Symptomatiken abgestimmt, die diese Erkrankung auszeichnen. Dazu gehören motorische Störungen, die häufig zu Beginn der Krankheit auftreten, wie Lähmungen bis hin zu Spastiken. Weitere häufiger auftretende Symptome sind zerebelläre Störungen, Sensibilitätsstörungen in Form von Taubheitsgefühlen oder Kribbeln, Miktionsstörungen und die Fatigue-Symptomatik. Aber auch nicht körperliche Beschwerden wie kognitive Störungen, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwäche, Schwindel, sexuelle Funktionsstörungen und die psychischen Belastungen wie Depressionen oder depressive Verstimmungen, treten bei vielen MS Patienten auf. All diese Symptome können die Betroffenen in ihrer Eigenständigkeit einschränken und dadurch die Lebensqualität stark beeinträchtigen. Die Epidemiologie, um auf die Wichtigkeit dieser Krankheit aufmerksam zu machen, sowie die Pathologie, bis hin zur Diagnostik von MS wurden ebenfalls miteinbezogen.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung aller personalisierten Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für jedes Geschlecht.
2. Pathologie
Multiple Sklerose ist eine Autoimmunerkrankung, bei der es als Folge von Autoimmunreaktionen zu einer Zerstörung des Myelins und einer damit verbundenen unvollständigen Reizweiterleitung kommt. Die Schädigungen des Myelins betrifft im ZNS verschiedene Stellen, wodurch unterschiedliche Symptome entstehen können (vgl. DMSG 2021).
Myelin wird von Oligodendrozyten produziert und bildet die Schutzhülle der Axone, welche gleichzeitig die Weiterleitung elektrischer Impulse als Aufgabe hat. T-Lymphozyten sind weiße Blutkörperchen und haben eine Abwehr- und Zerstörfunktion.
Bei MS passieren autoreaktive T-Lymphozyten die Blut-Hirn-Schranke und gelangen ins Gehirn. Dort angekommen, können sie von bestimmten Stoffen aktiviert werden. Im Falle von MS durch Myelin. Die myelinreaktiven T-Lymphozyten bewirken einerseits eine Veränderung der Blut-Hirn-Schranke, wodurch Immunzellen leichter eindringen können. Zudem setzen sie Zytokine frei, welche als Teil der Entzündungsreaktion B-Lymphozyten und Makrophagen anlocken. Diese Zellen führen zu toxischen Schädigungen der Oligodendrozyten. Ohne Oligodendrozyten gibt es kein Myelin, welches die Axone umhüllt. Stattdessen entstehen Entzündungsherde – so genannte Plaques – und es bildet sich Narbengewebe.
Im Frühstadium der MS kommt es zu einem Wiederaufbau des Myelins, der sogenannten Remyelinisierung. „Der Remyelinisierungsprozess scheint jedoch aus ungeklärten Gründen plötzlich zu stoppen und nicht weiter ins Zentrum der Läsion vorzudringen“ (Gold et al. 2005: S. 1205). Je weiter die Erkrankung voranschreitet, desto mehr chronische axonale Schäden entstehen, welche sich beim Patienten klinisch bemerkbar machen.
3. Epidemiologie
Die Multiple Sklerose (MS) ist ein bekanntes und weltweit oft vorkommendes Krankheitsbild. Zum jetzigen Zeitpunkt befindet sich die Zahl der MS-Erkrankten Personen weltweit bei ca. 2,5 Millionen und allein in Deutschland bei mehr als 250.000 (vgl. DMSG 2021). Die Verteilung der Betroffenen auf dem gesamten Globus betrachtet, ist jedoch nicht überall gleich. So sind Menschen die in den nördlichen Breitengraden, wie Europa und Nordamerika leben, häufiger betroffen, als Menschen die näher am Äquator leben. Die Gründe dafür sind bis heute noch nicht genau geklärt, jedoch könnte beispielsweise die vermehrte Sonneneinstrahlung und das damit verbundene Vitamin-D eine Rolle spielen (vgl. Gold 2014: S.4). Aus diesem Grund variiert je nach Breitengrad die jährliche Inzidenz. In der Regel liegt diese bei drei bis zehn Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner.
„Die Prävalenz der MS betrug in einer Analyse von Abrechnungsdaten des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA) in der GKV zur Epidemiologie der MS in Deutschland 289 pro 100.000 gesetzlich Versicherte im Jahr 2010“ (Kip, Bleß & Schönfelder 2016: S.16).
Der Beginn der Erkrankung ereignet sich in den meisten Fällen zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. So ist eine Erkrankung im Kindesalter oder im höheren Alter eher unwahrscheinlich, aber dennoch möglich.
Frauen sind mehr als doppelt so häufig von der Multiplen Sklerose betroffen als Männer.
4. Verlaufsformen
Multiple Sklerose kann individuell sehr unterschiedlich verlaufen und mit der Zeit andere Formen annehmen (vgl. Schweizer Multiple Sklerose Gesellschaft). Grundsätzlich unterscheidet man drei Verlaufsformen, welche in Abbildung 1 dargestellt und im Folgenden genauer beschrieben werden.
Charakteristisch für die primär und sekundär chronisch progrediente MS ist der schleichende Verlauf der Krankheit. Als Schub wird „Das rasche Auftreten von einem oder mehreren (=multiplen) Entzündungsherden mit entsprechenden körperlichen Störungen und Ausfällen […]“ (DMSG 2021) bezeichnet. Ein Schub kann sich entweder vollständig zurückbilden oder es kommt zu einer Vernarbung des entzündeten Nervengewebes, wodurch unterschiedlich ausgeprägte Restsymptome bleiben.
Primär chronisch progediente MS
Circa 10-15% der Patienten sind vom primär chronisch progredienten Verlauf betroffen. Diese Form läuft ohne Schübe ab und zeichnet sich durch eine seit Beginn fortlaufende Verschlechterung aus. Dazwischen sind temporäre Plateaus möglich, währenddessen die Krankheit für kurze Zeit still steht (vgl. Schweizer Multiple Sklerose Gesellschaft 2021).
Schubförmig remittierende MS
Bei circa 85% aller Patienten beginnt die MS mit eindeutig abgrenzbaren Schüben. Sie stellt damit die am häufigsten vorkommende Verlaufsform dar und beschreibt das Wiederkehren der Schübe, welche sich meist weitestgehend zurückbilden. Zwischen den Schüben findet keine Krankheitsprogression statt (vgl. Schweizer Multiple Sklerose Gesellschaft 2021).
Sekundär chronisch progediente MS
Die sekundär chronisch progrediente MS entwickelt sich aus der schubförmig remittierenden MS. „Der Anteil der Betroffenen, welcher nach 10 Jahren in eine sekundär chronisch-progrediente MS übergeht beträgt etwa 40%.“ (Schweizer Multiple Sklerose Gesellschaft 2021).
Charakteristisch für diese Verlaufsform ist die zu Beginn schubförmige MS, welche sich mit der Zeit zu einer progredienten Verlaufsform mit oder ohne Schüben entwickelt. Auch Plateauphasen, wie sie in der primär chronisch progredienten Verlaufsform auftreten, sind möglich.
5. Diagnostik
Die Diagnose der MS gestaltet sich oft nicht einfach und zeitverzögert. „Die Schwierigkeit liegt vor allem darin, dass einerseits viele PatientInnen beim erstmaligen Auftreten eines Schubes keinen Arzt aufsuchen und das andererseits viele Ärzte bei der Symptomatik der MS zuerst an häufiger auftretende Erkrankungen wie Zervikal- oder Lumbalsyndrom bzw. Durchblutungsstörungen denken.“ (Masuhr und Neumann 2007: S. 304 zit. n. Dayrmina 2012: S.20).
Zur genauen Diagnose der MS sollten neben der Anamnese und der neurologischen Untersuchung auch bildgebende und labordiagnostische Verfahren miteinbezogen werden. Bei der Anamnese ist es von großer Wichtigkeit, die Krankengeschichte genau auf neurologische Ausfälle mit Schubcharakter zu untersuchen. Ein typischer Schub hält mindestens 24 Stunden lang an, hat 30 Tage Abstand zu vorherigen Schüben und lässt sich nicht durch eine andere Erkrankung oder Symptome, wie beispielsweise Fieber, erklären (vgl. Gold 2014: S.4).
Zu den wichtigsten bildgebenden Verfahren zur Diagnose der MS gehört die Magnetresonanztomographie (MRT). Mit dieser Methode können frühzeitige Veränderungen der Hirnstruktur festgestellt werden. Auffällig sind in den meisten Fällen Entzündungsherde, die im MRT als weißgefärbte Stellen sichtbar sind.
Zum Ausschließen von Differentialdiagnosen, wie die Borreliose, spielt die Untersuchung des Liquors eine wichtige Rolle. Zudem ist es durch die Liquorpunktion möglich, oligoklonale Banden nachzuweisen, die für eine intrathekale Immunreaktion sprechen (vgl. Gold 2014: S.6). Um eine bessere Orientierung während der Diagnosestellung zu gewährleisten, kann die MS-Diagnose mit Hilfe der McDonald-Kriterien gestellt werden.
6. Physio- und Trainingstherapie bei verschiedenen Symptomatiken
6.1 Motorische und zerebelläre Störungen
Zu den am häufigsten vorkommenden Symptomen der Multiplen Sklerose gehören die motorischen und die zerebellären Störungen. Motorik bezeichnet das gesamte Zusammenspiel der menschlichen Muskulatur, welche in erster Linie für die Bewegungen des Körpers zuständig ist. Durch verschiedenste Informationen aus unterschiedlichen Arealen des Gehirns und des Rückenmarks erhält die Peripherie Reize zur Ausführung einer Bewegung. Wird dieses Areal angegriffen, kann die Bewegung des jeweiligen Körperteils nicht richtig oder gar nicht ausgeführt werden. MS Patienten äußern motorische Störungen beispielsweise durch Paresen, Reflexsteigeigerungen oder anomale Reflexe, sowie durch spastische Tonuserhöhungen. Diese behindern folglich sowohl ein flüssiges Gangbild, als auch die saubere Ausführung einer Bewegung. Zerebelläre Störungen entstehen durch pathologische Veränderungen im Kleinhirn. Die Funktion des Kleinhirns besteht vor allem darin, das Gleichgewicht aufrecht zu erhalten, den Tonus der Muskulatur zu regulieren, Bewegungsabläufe zu koordinieren und kontrollieren, sowie neue Bewegungsabläufe zu erlernen. Typische Symptome, die MS Patienten mit zerebellären Störungen aufweisen, sind Dysmetrien, ein Tremor beim Ausführen einer Zielbewegung, Gleichgewichtsstörungen, sowie Ataxien im Stand und Gang. Wie auch bei den motorischen Störungen, ist eine gründliche Befunderhebung für die Therapieplanung von Bedeutung.
In der Befundung motorischer und zerebellärer Störungen wird grundsätzlich zwischen der Feinmotorik, Grobmotorik und Zielmotorik unterschieden. Darunter fallen Untersuchungen wie der Armrolltest, das Rebound-Phänomen, der Finger-Nasen-Versuch oder auch der Knie-Hacke-Versuch. Zur Prüfung des Muskeltonus werden unterschiedlichste Assessment-Methoden, wie beispielsweise die Modified Ashworth Scale verwendet. Um Stand- oder Gangataxien festzustellen, werden Untersuchungen wie der Romberg-Versuch oder der Unterberger-Tretversuch durchgeführt. Es ist außerdem von großer Wichtigkeit eine gründliche Ganganalyse, sofern der Patient gehen kann, durchzuführen, um weitere Auffälligkeiten ermitteln zu können.
Zu der Behandlung motorischer und zerebellärer Störungen spielt neben der medikamentösen Therapie, bei der beispielsweise Antispastika wie Baclofen eingenommen werden, die Physio- und Trainingstherapie eine wichtige Rolle. Darunter fallen unter anderem Behandlungskonzepte wie Vojta und Bobath, Methoden wie die Hippotherapie, sowie auch das Lokomotionstraining.
6.1.1 Vojta
Die Vojta-Therapie bezieht sich auf das Prinzip der Reflexlokomotion und kann bei nahezu allen Bewegungsstörungen, die als Folge von Schädigungen des zentralen Nervensystems auftreten, eingesetzt werden. Ursprünglich entwickelte Prof. Vojta diese Art von Diagnostik und Therapie für cerebralparetische Kinder. Durch die ganzheitliche Behandlung hat sich ein breites Wirkungsspektrum entwickelt, wodurch auch Erwachsene mit erworbenen Schädigungen des Zentralnervensystems – und somit auch MS-Patienten – profitieren können. Die Behandlung ist sowohl in der Akutphase, als auch in der späteren Rehabilitationsphase möglich. In der Regel findet die Therapie bei Erwachsenen zweimal pro Woche für 30-45min statt, wird jedoch je nach Befund und Belastbarkeit individuell auf den Patienten abgestimmt. Der Grundgedanke der Vojta-Therapie sind manuelle Reize an Körperregionen in bestimmten Ausgangsstellungen, wodurch über die Aktivierung bestimmter Muskelfunktionen eine Reflexlokomotion ausgelöst wird. Als Folge dessen werden die Stützfunktion, sowie die Grundelemente für die Aufrichtung – nämlich posturale Kontrolle, die Aufrichtung des Körpers gegen die Schwerkraft und die phasische Beweglichkeit – trainiert (vgl. Aigner & Klose 2018: S. 299f).
Das Prinzip der Reflexlokomotion erfolgt über das Zentralnervensystem, welches einen Zugang zu Bewegungsteilmustern schafft. Dieser hält bis über die Therapie hinaus an und kann somit die Spontanbewegungen des Patienten, durch eine geschulte Aufrichtung und Stützfunktion, positiv beeinflussen. Das Hauptziel der Vojta-Therapie ist die Förderung der Teilhabe des Patienten an seinem Alltag, um somit ein gewisses Maß an Selbstständigkeit und Unabhängigkeit zu ermöglichen. Als positiven Nebeneffekt lässt sich eine Steigerung der kortikalen Funktionen, wie beispielsweise der Motivation und Konzentration, nachweisen (vgl. Internationale Vojta Gesellschaft 2021).
In einer gemeinsamen Studie der Universität Siegen und der Sauerlandklinik Hachen, wurde bereits im Jahr 1998 die „Verbesserung der Lokomotion durch kombinierte Laufband/Vojta-Physiotherapie bei ausgewählten MS-Patienten“ untersucht. Die ausgewählten Teilnehmer hatten über eine Dauer von fünf Wochen alle zwei Tage zehn Minuten Laufbandtherapie, zehn Minuten Pause und anschließend eine 20-minütige Vojta-Behandlung. Letztere aktiviert über manuelle Druckreize das angeborene Lokomotionsprogramm des Kreuzgangs. HilH Das Ergebnis zeigt, dass nahezu alle Patienten, abhängig vom Grad ihrer Behinderung, von Woche zu Woche eine längere Gehstrecke, erzielen konnten. Dies lässt sich durch ein verbessertes Gehverhalten, eine größere Schrittlänge und eine schnellere Geschwindigkeit erklären (vgl. Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2008: S. 187ff).
6.1.2 Bobath
Das Bobath-Konzept ist ein weltweit bekanntes, ganzheitliches Konzept aus den 50er Jahren zur Behandlung von Menschen mit neurologischen Störungen. Der Grundgedanke des Bobath-Konzepts besteht darin, dass sich nach einer Schädigung des zentralen Nervensystems neue Verbindungen mit Hilfe der Therapie bilden können. Ziel des Konzepts ist es, die Eigenaktivität und Selbständigkeit der Patienten zu fördern und diese wieder zu erlangen. Dabei soll beispielsweise gezielt Wert auf die Einbeziehung der hemiplegischen Seite und das Verhindern von Sekundärveränderungen, wie Bewegungseinschränkungen der Gelenke, gelegt werden. Zu den weiteren Zielen des Bobath-Konzepts zählen die Verbesserung der Haltungskontrolle, die Normotonisierung der Muskulatur, sowie auch das Wiedererlernen von Gleichgewichtsreaktionen.
Das Besondere an der Bobath-Therapie ist, dass sich die Behandlung nicht nur auf die Zeit mit dem Therapeuten begrenzt, sondern ein 24-h-Kozept entwickelt wird. Dabei findet eine Analyse des Alltags des Patienten statt und mit der Einbeziehung seiner Angehörigen wird ein Tagesablauf gestaltet (vgl. Bobath-Vereinigung).
Der Ablauf der Therapie nach dem Bobath-Konzept muss auf jeden Patienten individuell zugeschnitten werden und lässt sich nicht verallgemeinern. Die Behandlungen finden, vergleichbar mit der Vojta-Therapie, je nach Bedarf des Patienten – in der Regel zweimal wöchentlich – statt, mit einer Dauer von 30-45 Minuten.
Den positiven Effekt der Bobath-Behandlung bei Multipler Sklerose zeigt eine Studie aus dem Jahr 2015, welche in der „Physiotherapy research international“ veröffentlicht wurde. Bei dieser Studie wurde eine kleine Gruppe mit an Multipler Sklerose erkrankten Patienten, mit einer gleich großen Gruppe gesunder Kontrollpersonen verglichen. Das Ziel der Studie war es herauszufinden, inwiefern sich Interventionen nach dem Bobath-Konzept auf das Gleichgewicht und den Gang auswirken können. Die Ergebnisse zeigten, dass sich das Gleichgewicht und der Gang nach bereits einer Bobath-Behandlung am Fuß und Knöchel sofort verbesserten (vgl. Physiotherapy research international 2016: S.91ff).
6.1.3 Hippotherapie
Die Hippotherapie gilt als physiotherapeutische Behandlungsmethode, welche vor allem bei Schädigungen und Erkrankungen des zentralen Nervensystems angewendet wird. Sie findet sowohl bei Kindern, als auch bei Erwachsenen Verwendung. Ziel der Hippotherapie ist es, Bewegungsimpulse aus der rhythmischen Fortbewegung des Pferdes an den Patienten zu übertragen. Hierbei wird vor allem die Muskulatur des Beckens und des Rumpfes aktiviert. Dies führt zu einer Verbesserung der posturalen Kontrolle der Patienten und trainiert gleichzeitig die Beckenbodenmuskulatur. Zudem kann die Hippotherapie den Tonus der Muskulatur senken, mobilisiert das Becken und die Lendenwirbelsäule und verbessert das Gleichgewicht. Besonders für Patienten die an den Rollstuhl gebunden sind, wirkt die gangtypische Bewegung des Pferdes sehr stimulierend und stärkt gleichzeitig das Selbstwertgefühl und das psychische Wohlbefinden.
Die Kosten für die Hippotherapie werden in Deutschland von den Krankenkassen nicht übernommen und müssen deshalb vom Patienten selbst getragen werden. In der Regel wird die Hippotherapie ein bis zwei Mal die Woche durchgeführt, mit einer Dauer von ca. 20-30 Minuten. Dies kann je nach Zustand und Belastbarkeit des Patienten variieren.
Die Vorteile der Hippotherapie wurden bis zum jetzigen Zeitpunkt durch unterschiedliche Studien belegt. Darunter fiel auch eine multizentrische randomisierte kontrollierte Studie, welche 2018 im „Multiple Sclerosis Journal“ erschienen ist. Bei dieser Studie wurden 70 MS-Patienten in unterschiedliche Gruppen unterteilt und zwölf Wochen mit der Hippotherapie therapiert. Die Ergebnisse zeigen, dass sich das Gleichgewicht der MS Patienten, sowie auch die Spastik positiv veränderten (vgl. Multiple Sclerosis Journal 2018: S. 1375ff).
6.1.4 Robotik-Therapie
Die Trainingstherapie hat im Sinne der Rehabilitation, die aktive Wiederherstellung von Fähigkeiten und Fertigkeiten eines Patienten, nach Krankheiten und Verletzungen, als Ziel. Bei MS-Patienten beinhaltet sie die Wiederherstellung der Arm- und Haltefunktion, sowie des Gangs. Hierzu gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen und Trainingsformen. Die Robotik-Therapie kombiniert Technologie mit konventionellen Therapiemethoden. Somit werden die Bewegungen intensiver, repetitiver und aufgabenorientierter durchgeführt, wodurch die Plastizität im Gehirn unterstützt wird und Funktionen und Bewegungen wiedererlangt werden. Da der Patient die Übungen selbstständig durchführen kann, steigt die Motivation, was den Rehabilitationsverlauf verbessert. Inzwischen gibt es einige Technologien, welche speziell für die MS-Patienten von Bedeutung sind.
Mit Hilfe der „Armeo“ kann die Arm- und Haltefunktion wiedererlangt werden. Hierbei wird zwischen drei Armeo Therapieprodukten unterschieden. Der „Armeo Power“ findet seinen Nutzen innerhalb der Akutrehabilitation. Er unterstützt den Arm des Patienten nur soweit wie erforderlich ist und führt ihn in die entsprechende Bewegung. Der „Armeo Spring“ nimmt das Armgewicht des Patienten ab und ermöglicht somit eine Aktivierung der noch vorhandenen motorischen Fähigkeiten. Der „Armeo Senso“ ist für Patienten mit milden Einschränkungen geeignet und erlaubt eine selbstinitiierte Armtherapie mit einer individuell anpassbaren Unterstützung.
Der „Erigo“ ermöglicht durch robotische Beinbewegungen und zyklische Beinbelastungen in der Akutrehabilitation eine sichere Mobilisierung und Vertikalisierung der MS-Patienten. Neben der Aktivierung der Muskulatur, dient der Erigo als Gangvorbereitung und zur Bewegungsschulung.
Um einen effektiven Einfluss auf den Gang und das Gleichgewicht zu erzielen, findet in der Therapie unter anderem der „Lokomat“ seine Verwendung. Über ein individuell einstellbares Exoskelett, ermöglicht er den Patienten das Laufen auf einem Laufband, innerhalb des physiologischen Gangmusters.
Als nächsten Schritt innerhalb der Therapie unterstützt der „Andago“ die Gangsicherheit des Patienten. Er kombiniert das selbstständige Gehen mit einer Gewichtsentlastung, wodurch der Patient ohne Sturzgefahr, aber dennoch frei und natürlich gehen kann.
Der „C-Mill“ maximalisiert die realitätsnahe Gangfähigkeit und das Gleichgewicht. Über externe visuelle und akustische Signale, sowie Virtual Reality in Echtzeit-Feedback, können innerhalb der Therapie verschiedene, wechselnde Situationen dargestellt werden. Demzufolge wird neben Gleichgewicht und Gang, zusätzlich Doppelaufgaben und die situationsgerechte Anpassung des Gangs innerhalb der Therapie trainiert (vgl. Hocoma 2021).
6.2 Sensibilitätsstörungen
Multiple Sklerose äußert sich häufig mit Störungen der Oberflächen-, sowie der Tiefensensibilität. Diese Gefühlswahrnehmungs- und Empfindungsstörungen treten bevorzugt an Händen und Füßen auf und verlaufen im sensiblen Versorgungsgebiet des betroffenen Nervs.
Ursächlich sind MS-typische Entzündungsherde im Gehirn und im Rückenmark, wodurch der Empfang, die Verarbeitung und die Weiterleitung verschiedener Reize gestört ist. Somit werden Reize entweder gesteigert, abgeschwächt, falsch oder gar nicht wahrgenommen (vgl. Hüter-Becker & Dölken 2010: S. 258).
Die Sensibilitätsprüfung ist ein wichtiger Teil der neurologischen Untersuchung mit dem Ziel der genauen Abgrenzung eines eventuellen Sensibilitätsausfalls nach Lokalisation und Ausdehnung, sowie die Identifizierung der betroffenen sensiblen Qualität.
Zur Befundung der Tiefensensibilität wird der Lagesinn, welcher mit dem „Mirroring“ getestet wird, von dem Bewegungssinn, welcher mit dem „Placing“ getestet wird, unterschieden.
Bei der Oberflächensensibilität wird zwischen dem Berührungs-, Druck-, Schmerz- und Temperaturempfinden, sowie dem Vibrationssinn differenziert.
Je nach sensibler Qualität gibt es verschiedene Herangehensweisen zum Testen. Für das Berührungsempfinden (Hyp-/Anästhesie) streicht der Untersucher mit seiner Fingerkuppe oder einem Wattebausch das betroffene Körperareal oder Dermatom ab. Mit einem festen Fingerdruck im betroffenen Gebiet, lässt sich das Druckempfinden testen. Für das Schmerzempfinden (Hyper-/Analgesie) setzt der Untersucher mit einem spitzen Gegenstand kleine Schmerzreize. Das Temperaturempfinden (Thermohyp-/Anästhesie) lässt sich durch kalte und warme Gegenstände prüfen und das Vibrationsempfinden (Pallhyp-/Anästhesie) lässt sich mit einer Stimmgabel auf Knochenvorsprüngen untersuchen (vgl. Hüter-Becker & Dölken 2010: S. 78f).
Eine gesteigerte Reizwahrnehmung äußert sich hauptsächlich durch Nervenschmerzen. Diese lassen sich vor allem über eine Desensibilisierung behandeln. Mit Hilfe von Gegenirritationsverfahren, bei denen elektrische Gegenreize gesetzt werden, wird das Schmerzgedächtnis aufgehoben und die gesteigerte Sensibilität normalisiert. In der Physiotherapie findet hierfür vor allem die transkutane Elektro-Neurostimulation, kurz TENS, Anwendung. Der Reiz wird hierzu sensibel überschwellig gesetzt, sodass eine Frequenz von 100 – 250 Hz empfehlenswert ist. Studien belegen, dass auch die pulsierende Magnetfeldtherapie positive Auswirkungen auf die Nervenschmerzen haben kann. Auch über thermische Reize, wie Wechselduschen und Eisbehandlungen kann eine Desensibilisierung erfolgen. (vgl. Lamprecht 2008: S. 70)
Eine abgeschwächte, falsche oder fehlende Reizwahrnehmung tritt vor allem an Händen oder Füßen auf und äußern sich meist in Form von Ameisenkribbeln, Brennen oder als ein Kälte- bzw. Wärmegefühl.
Die Physiotherapie bei Störungen der Oberflächensensibilität zielt über taktile Reize auf die Stimulierung der Hautsensoren durch eine äußere Reizgebung ab. „Wichtig ist dabei auch die kognitive Mitarbeit des Patienten (spüren). Dies bedeutet erkennen und differenzieren verschiedener Materialien, Formen (z.B. spitz/ stumpf) und Temperaturen.“ (Lamprecht 2008: S. 71) Hierzu eignen sich verschiedene hautstimulierende Gegenständen, wie Bürsten, Schwämme, Pinsel oder ein Igelball. Auch über Massagen und Vibrationen lässt sich die Wahrnehmung schulen.
Bei Störungen der Tiefensensibilität geht es darum, die propriozeptive Sensibilität zu fördern. Hierzu kann der Therapeut manuelle Techniken in Form von intermittierenden Traktionen und Kompressionen anwenden. Eine weitere Möglichkeit ist die Wahrnehmung der betroffenen Extremität über festen Druck oder Massagetechniken, wie Querdehnung und Weichteiltechniken des umliegenden Gewebes. Am Ende der Therapie steht die funktionelle Aktivierung. Bezogen auf die obere Extremität kann der Patient beispielsweise einen Sandsack kneten, mit der Hand über einen Igelball rollen oder jeden Finger einzeln mit dem Daumen zusammenführen. Für die untere Extremität könnte der Patient die Aufgabe bekommen, mit seinen Füßen ein Papiertuch aufzuheben oder zu falten. Auch der zuvor erwähnte Igelball ist ein gutes Hilfsmittel.
6.3 Fatigue Symptomatik
Eine der häufigsten Beschwerden bei der Multiplen Sklerose ist die Fatigue Symptomatik. Dabei handelt es sich um eine pathologische körperliche oder kognitive Ermüdbarkeit, deren Ursachen bis heute noch nicht genau bekannt sind. Es wird allerdings vermutet, dass die zentralen Entzündungsreaktionen, Störungen der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse, die kompensatorische Aktivierung von größeren Hirnarealen und der bereits reduzierte Trainingszustand der Patienten, der eine verfrühte Ermüdung hervorruft, eine Rolle dabei spielen. Zwischen 60 und 90% der MS-Erkrankten leiden unter dieser speziellen Form der Ermüdbarkeit und 14% der Betroffenen empfinden dies als das meist belastendste Symptom, da es sie vor allem in ihrem Alltag stark einschränkt. Auch das Arbeitsleben ist davon betroffen. Fatigue zählt zu einem der Hauptgründe, weshalb MS-Patienten erwerbsunfähig werden. Im Laufe des Tages nimmt die Stärke dieser besonderen Form der Erschöpfung weiter zu und wird zusätzlich durch andere Faktoren verstärkt. Die wohl einflussreichste Wirkung hat die Temperatur. Bei ansteigender Wärme verschlechtert sich der Zustand der Patienten. Dies wird auch als Uhthoff-Phänomen bezeichnet. Betroffene mit Fatigue beschreiben einen deutlichen Unterschied zur normalen Müdigkeit (vgl. Pfitzner 2013: S.17ff).
6.3.1 Manifestationen und Diagnostik
Bei der Symptomatik treten zwei verschiedene Formen auf. Es wird zwischen einer peripheren (physischen) und einer zentralen (mentalen) Fatigue unterschieden. Bei der peripheren Fatigue ist es neuromuskulär nicht möglich eine bestimmte Muskelkraft zu erhalten. Bei der zentralen Fatigue ist das Aufrechterhalten von Aktivitäten mit hoher Selbstmotivation das Problem. Um festzustellen ob ein Patient an Fatigue leidet, werden zwei standardisierte Fragebögen verwendet, welche zu verschiedenen Untersuchungszeitpunkten eingesetzt werden. Zum einen handelt es sich hierbei um den Würzburger Erschöpfungs-Inventar bei Multipler Sklerose (WEIMuS), welcher sich aus 17 Fragen zusammensetzt, die sowohl die kognitiven, als auch die körperlichen Komponenten der Fatigue beinhaltet. Je mehr Punkte bei diesem Fragebogen erreicht werden, desto stärker ist die Ausprägung. Insgesamt kann ein Punktewert von 68 erreicht werden. Die Angaben für die periphere und die zentrale Fatigue werden einzeln betrachtet, um eine direkte Einordnung zu ermöglichen. Der zweite Fragebogen ist die Modified Fatigue Impact Scale (MFIS). Dieser besteht aus 21 Fragen. Bei jeder Frage kann eine Punktzahl zwischen null und vier erreicht werden, welche am Schluss von allen Fragen zusammengezählt werden. Maximal können 84 Punkte erreicht werden und, wie bei der WEIMuS, steigt die Ausprägung der Fatigue mit einer höheren Gesamtpunktzahl. Ab einem Wert von 38 Punkten wird von dem Bestehen einer Fatigue ausgegangen. Die körperlichen und kognitiven Anteile werden gleichermaßen erfasst (vgl. Pfitzner 2013: S.17ff).
6.3.2 Therapie
Eine alleinstehende Therapie für Fatigue gibt es zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Dennoch gibt es einige Behandlungsansätze. Neben der Behandlung mit Medikamenten wie Fampridin, ist auch die konservative Therapie eine Möglichkeit zur Verbesserung der Problematik (vgl. Veauthier 2016: S. 1310ff). Hierbei spielt die Trainings- und Physiotherapie eine große Rolle. Um die Therapie passend auf den Betroffenen abzustimmen, ist vor allem die Abgrenzung zu anderen Symptomen der MS, wie beispielsweise Schlafstörungen oder Depressionen, wichtig. Diese Symptome weisen, ähnlich wie die Fatigue, eine Erschöpfbarkeit und Antriebslosigkeit auf. Leidet ein Patient zusätzlich an Depressionen, können Antidepressiva in die Therapie miteingebaut werden. Positive Ergebnisse bei der Behandlung von Fatigue erzielen außerdem kalte Bäder oder Kühlelemente zum Senken der Körpertemperatur, mehrwöchige Rehabilitationsmaßnahmen in Form von Physio- und Ergotherapie und in der Trainingstherapie angewandtes Kraft- und Ausdauertraining (vgl. Pfitzner 2013: S.17ff).
Mit Hilfe von Kraft- und Widerstandstraining, lässt sich die Muskelkraft und Leistungsfähigkeit steigern. Dies führt zu einer Verbesserung der körperlichen Funktionen. Vor allem das aerobe Training ist in der MS-Therapie sehr beliebt. Hierbei wird mit einer niedrigeren Intensität und dafür einer Trainingsdauer von mindestens 20 Minuten gearbeitet. Ab diesem Zeitpunkt kann die Energie, die der Körper für die Aktivität benötigt, nur noch aerob geliefert werden (vgl. Büchli 2020 S: 9f). Die randomisierte prospektive Studie von Pfitzner beschreibt die Effekte eines Ausdauertrainings unter normobaren Hypoxiebedingungen auf die Fatigue bei MS-Patienten. Über einen Zeitraum von zwei Wochen führten drei Probandengruppen ihr Rehabilitationsprogramm durch, wobei ein Teil der Probanden zusätzlich ein Ergometertraining über 45 Minuten absolvierte. Dieses Training fand bei elf Teilnehmern unter NHN-Bedingungen und bei weiteren elf Erkrankten in einer Höhenkammer statt. Nach zwei Wochen zeigte sich eine signifikante Verringerung der Fatigue gegenüber dem Ausgangswert. Auch ließen sich positive Einflüsse auf die Motorik, die Lebensqualität, sowie objektiv messbare Parameter, wie die Erweiterung der maximalen Gehstrecke oder eine verbesserte Bewegungskontrolle nachweisen (vgl. Pfitzner 2013: S. 24, 43, 55ff).
6.4 kognitive Beeinträchtigungen
Die kognitiven Einschränkungen, die sich vor allem in Form von Konzentrationsschwäche, Aufmerksamkeitsstörungen, sowie die Abnahme der Gedächtnisleistungen äußern, setzen den Patienten im Verlauf ihrer Erkrankung immer mehr zu. Im Schnitt leiden 19,6% der Betroffenen, die seit weniger als 2 Jahren an MS erkrankt sind, an kognitiven Einschränkungen. Bei einer Krankheitsdauer von über 15 Jahren, leiden rund 40,6% der Patienten unter dieser Symptomatik (vgl. DMSG). Dies lässt sich damit begründen, dass zu Beginn der Erkrankung, die nicht betroffenen Hirnareale kognitive Fähigkeiten noch übernehmen können. Im Laufe der Jahre bauen diese Areale zunehmend ab, weshalb immer weniger Fähigkeiten aufrechterhalten werden können (vgl. Kip, Bleß & Schönfelder 2016: S.6f).
Für die symptomatische Therapie von kognitiven Beeinträchtigungen werden verschiedene Grundsätze angewandt. Ein wesentlicher Punkt ist die Ergotherapie und die Patientenschulung, welche zur Verbesserung von motorischen und kognitiven Fähigkeiten führt. Neuropsychologische Verfahren werden zur Verbesserung der Aufmerksamkeit, des Gedächtnisses, der Geschwindigkeit und der Multi-Tasking-Fähigkeit eingesetzt (vgl. Kip, Bleß & Schönfelder 2016: S.75).
6.5 Miktionsstörungen
Die Miktionsstörungen, welche sich vor allem durch Inkontinenz äußern, schränken die Lebensqualität der betroffenen Patienten erheblich ein. 74% der MS Patienten leiden unter Blasenstörungen und 31,1% an Darmstörungen. Als Folge entwickeln sich häufig Harnwegsinfekte und Nierenschäden werden begünstigt (vgl. Kip, Bleß & Schönfelder 2016: S.77).
Um Miktionsstörungen symptomatisch zu therapieren, wird zu medikamentösen Mitteln, wie Anticholinergika, gegriffen. Darin enthalten sind Wirkstoffe zur Unterdrückung von Acetylcholin im parasympathischen Nervensystem, wodurch ein überaktiver Blasenmuskel gedämpft wird. Ein weiteres verwendetes Medikament ist Botulinum-Toxin A. Durch eine irreversible Hemmung der Acetylcholin-Freisetzung, lähmt es die peripheren Muskeln.
Die nicht-medikamentöse Therapie besteht aus Physiotherapie, in welcher der Fokus auf Beckenbodentraining liegt. Wie bereits erwähnt, zeigt auch die Hippotherapie einen positiven Einfluss zu dieser Symptomatik. Zusätzlich kann ein Miktionstagebuch geführt werden, mit dem die Patienten den unkontrollierten Urinverlust im Laufe des Tages besser nachvollziehen können. Hiermit kann auch zwischen einer Stress- oder Belastungsinkontinenz unterschieden werden (vgl. Kip, Bleß & Schönfelder 2016: S.79).
7. Ergebnisse
Die verwendete Literatur und die Studien beinhalten unterschiedliche Therapieformen bei MS. Neben der medikamentösen Therapie spielt die Physio- und Trainingstherapie eine wesentliche Rolle bei der Behandlung eines MS-Erkrankten. Die jeweiligen Behandlungen wurden auf die Symptomatik abgestimmt. Der Einfluss dieser Therapien wird im Folgenden kurz zusammengefasst.
Grundsätzlich ist anzumerken, dass wenige dieser Therapien isoliert durchgeführt werden. Vielmehr liegt eine Kombination zwischen physikalischen Maßnahmen und der Therapie mit den für MS vorgesehene Medikamenten vor. Da der Fokus in dieser Ausarbeitung auf der Physio- und Trainingstherapie liegt, wird vermehrt darauf eingegangen.
7.1 Therapie der motorischen Störungen
Um die Symptome der motorischen Störungen zu behandeln, setzt man in der Physiotherapie vor allem auf neurologische Ansätze wie Bobath und Vojta. Ziele der Bobath Therapie sind die Förderung der Selbstständigkeit, die Verbesserung der Haltungskontrolle, die Normotonisierung der Muskulatur und das Wiedererlernen von Gleichgewichtsreaktionen. Zu den Grundsätzen der Vojta Therapie zählen die Förderung der Selbständigkeit und Unabhängigkeit, sowie das Erarbeiten der Stützfunktion und der posturalen Kontrolle. Eine weitere Therapieform ist die Hippotherapie. Diese wirkt sich positiv auf den Beckenboden und das Gleichgewicht auf, aktiviert und kräftigt die Rumpfmuskulatur und mobilisiert die Lendenwirbelsäule. Zu den angewandten Trainingsmethoden für motorische Störungen gehört die Robotik-Therapie, das Gleichgewichtstraining und die Sturzprävention. Ziel der Robotik-Therapie ist das Wiedererlangen der Haltefunktion vom Arm, die Bewegungsschulung, sowie die Gangvorbereitung. Ein physiologisches Gangmuster wird durch die Aktivierung der Muskulatur, Mobilisierung und Gleichgewichtstraining angestrebt.
7.2 Therapie bei Sensibilitätsstörungen
Für die Therapie von Sensibilitätsstörungen muss zwischen der gestörten Oberflächen- und der gestörten Tiefensensibilität unterschieden werden. Bei der Oberflächensensibilität kann entweder eine gesteigerte Reizwahrnehmung oder eine abgeschwächte oder sogar fehlende Reizwahrnehmung vorliegen. Somit gelten verschiedene Therapieziele: Die Desensibilisierung bei einer übermäßigen Reizwahrnehmung und die Stimulierung der Hautsensoren über taktile Reize bei der abgeschwächten Reizwahrnehmung. Eine Desensibilisierung wird durch Gegenirritationsverfahren wie TENS im Frequenzbereich von 100-250 Hz und thermische Reize, wie Wechselduschen und Eisbehandlungen erreicht. Zur Stimulierung der Hautsensoren wird über Massagen und Vibrationen gearbeitet.
Bei der gestörten Tiefensensibilität ist das Ziel die Förderung der Propriozeption durch manuelle Techniken, wie intermittierende Traktion und Kompression, sowie Druck- und Massagetechniken, wie Querdehnung oder Weichteiltechniken. Am Ende der Therapie sollte eine funktionelle Verankerung über die Aktivierung der betroffenen Muskulatur erfolgen.
7.3 Therapie bei Miktionsstörungen
Die Störung der Blasentleerung wird in der Physiotherapie durch Beckenbodentraining, Hippotherapie und mit Hilfe von einem Miktionstagebuch behandelt. Das Ziel der Beckenbodentherapie ist die Wahrnehmung und Kräftigung der Beckenbodenmuskultur. Die Hippotherapie wirkt sich, wie bereits erwähnt, positiv auf die Beckenbodenmuskulatur aus. In einem Miktionstagebuch wird die genaue Menge der Flüssigkeitszufuhr und die Urinmenge dokumentiert. So kann die Miktionsstörung entweder als Belastungs- oder Stressinkontinenz eingestuft werden. Neben der physikalischen Therapie werden zur Behandlung allerdings überwiegend Medikamente eingesetzt. Beispiele hierfür sind Anticholinergika, deren Ziel es ist, den überaktiver Blasenmuskel zu dämpfen und Botulinum-Toxin A, welches über eine Hemmung der Acetylcholin-Freisetzung die periphere Muskulatur lähmt.
7.4 Therapie bei Fatigue
In der Prävention und Rehabilitation der abnormen, frühzeitigen Erschöpfung,liegen die Ziele bei der Aufrechterhaltung oder Verbesserung der Mobilität, sowie der Selbstständigkeit. Auch hier kommen Konzepte wie Bobath und Vojta zum Einsatz. Ebenfalls einen positiven Effekt auf diese Symptomatik haben Bewegungsbäder, Schwindeltraining, progressives Belastungstraining und Krankengymnastik. Da sich die Fatigue durch Wärme verschlimmert (Uthoff Phänomen), ist die Hydrotherapie zum Senken der Körpertemperatur, mit Hilfe von kalten Bädern oder Kühlelemente, eine häufig eingesetzte Behandlung. Eine aus der Trainingstherapie sehr wirksame Methode ist das Kraft- und Ausdauertraining. Durch die körperliche Aktivität wird die Erschöpfbarkeit und Antriebslosigkeit verringert. Hierfür wird für mindestens 20 Minuten mit einer niedrigen Intensität trainiert. Besonders gut geeignet sind Sportarten wie Radfahren, Laufen und Schwimmen.
7.5 Therapie bei kognitiven Beeinträchtigungen
Bei den kognitiven Einschränkungen, die sich vor allem in Form von Konzentrationsschwäche, Aufmerksamkeitsstörung, sowie die Abnahme der Gedächtnisleistungen äußern, wird vorwiegend über Ergotherapie und Patientenschulung gearbeitet. Neuropsychologische Verfahren werden zur Verbesserung der Aufmerksamkeit, des Gedächtnisses, der Geschwindigkeit oder der Multi-Tasking-Fähigkeit eingesetzt.
8. Diskussion
8.1 Störfaktoren der überprüften Studien
Bei der kritischen Betrachtung der gewählten Studien fällt auf, dass nahezu alle eine geringe Anzahl an Probanden enthalten. Demzufolge können Zufallsbefunde mit eingeflossen sein, was die Aussagefähigkeit der betreffenden Studien deutlich herabsetzt. Auch die Studienteilnehmer sind ein Kritikpunkt. Häufig fehlen Angaben über die Schwere der bestehenden Symptomatik, sodass sich keine allgemeine Aussage über die Therapie machen lässt. Da die Studien nur über einen kurzen Zeitraum gehen, werden auch die Langzeitfolgen nicht in die Auswertungen integriert. Somit lassen sich keine Aussagen zu kognitiven Symptomatiken oder Schubauslösern machen. Eindeutige Therapieempfehlungen sind aus diesen Gründen nicht möglich.
Ein positiver Faktor der gewählten Studien ist, dass sie sich mit den gängigsten Symptomen der MS befassen. Somit wird der Einfluss der Physio- und Trainingstherapie auf die motorischen und zerebellären Störungen, sowie die Fatigue-Symptomatik verdeutlicht.
8.1.1 Bobath-Therapie
Die Studie von Ilett, Lythgo et al. aus dem Jahr 2015 beschreibt die positiven Auswirkungen auf das Gleichgewicht und den Gang bei Patienten mit MS, bereits nach einer Behandlung mit der Bobath-Therapie am Fuß und am Knöchel (vgl. Physiotherapy research international 2016: S.91ff). Mit nur elf MS-Erkrankten und einer ebenso großen Kontrollgruppe, haben die Erkenntnisse zu dem Behandlungskonzept nur eine geringe Aussagekraft. Des Weiteren fehlt die Angabe zum Alter der Patienten, sowie deren Grad an Behinderung. Interessant wäre zudem ein Vergleich, wie die Therapieerfolge nach Bobath-Behandlungen an anderen Körperregionen, wie beispielsweise der oberen Extremität ausfallen.
8.1.2 Hippotherapie
Die multizentrische randomisierte kontrollierte Studie von Vermöhlen, Schiller et al., bestätigt die positive Wirkung von Hippotherapie auf das Gleichgewicht, sowie auf die Müdigkeit, Spastik und Lebensqualität der Patienten (vgl. Multiple Sclerosis Journal 2018: S. 1375ff). Da in der Studie keine Auskunft über das Alter der Probanden, sowie deren Behinderungsgrad gegeben wird, kann keine eindeutige Therapieempfehlung ausgesprochen werden. Von Vorteil ist die Aktualität der Studie, da sie erstmals 2017 veröffentlicht wurde. Mit Hilfe der Kontrollgruppe, sowie der Berg-Balance-Skala, lassen sich die Ergebnisse gut miteinander vergleichen. Da mit Hilfe der Berg-Balance-Skala allerdings nur eine Aussage über das Gleichgewicht und weniger über die Gangsicherheit gemacht werden kann, wären weitere Testungen, wie beispielsweise der Dynamic Gait Index, sinnvoll gewesen.
8.1.3 Vojta-Therapie
In der gemeinsamen Studie der Universität Siegen und der Sauerlandklinik Hachen, wurden die positiven Ergebnisse der kombinierten Laufband/Vojta-Physiotherapie bei MS-Patienten in Bezug auf die Gehstrecke beschrieben (vgl. Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2008: S. 187ff). Durch die breit gefächerten Vorher-Nachher Vergleiche, welche über Messung von Gehgeschwindigkeit, durchschnittlicher Schrittlänge, durchschnittlicher Zeit für den Schritt mit der stärker betroffenen Extremität, den Hüft-Extensions-Flexions-Winkel, sowie die Prüfung ausgewählter Hirnfunktionen an die Kurtzke-Beurteilungsskalen, hat die Studie eine hohe Aussagekraft. Obwohl die Studie aus dem Jahr 1998 ist, nur über eine Dauer von fünf Wochen ging, sowie lediglich 15 Probanden umfasste, konnten die Ergebnisse in darauf folgenden Vergleichsstudien der Sauerlandklinik Hachen, mit einer größeren Zahl an Probanden und einem teilweise geringeren Behinderungsgrad, bestätigt werden. Aufbauend auf den bereits bestehenden Erkenntnissen wurden Alternativen untersucht, wobei belegt wird, dass die Kombination aus Laufbandtherapie – Vojta-Therapie – Laufbandtherapie noch effektiver ist (vgl. Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2004: 134ff). Angaben zu der Intensität der Laufbandtherapie, sowie den genauen Maßnahmen der Vojta-Therapie, wären für die Umsetzung in die Praxis hilfreich und daher noch zu ergänzen.
8.1.4 Ausdauertraining
Pfitzer befasst sich in ihrer Arbeit mit den Auswirkungen des Ausdauertrainings unter normobaren Hypoxiebedingungen auf die Fatigue-Symptomatik bei Patienten mit MS (vgl. Pfitzer 2013).
Mit letztendlich 32 Teilnehmern, deren Alter und Behinderungsgrade unterschiedlich sind und einer kurzen Studiendauer von lediglich zwei Wochen, lassen sich keine eindeutigen Erkenntnisse erzielen. Von Vorteil ist allerdings der Vergleich zu der Kontrollgruppe mit MS-Erkrankten, welche den gleichen Rehabilitationsplan, allerdings ohne Ausdauertraining, verfolgen. Auch aufgrund der ausführlichen Verlaufskontrollen, welche neben verschiedensten Fragebögen auch eine Blutanalyse beinhalten, erhält die Studie trotz der zuvor genannten Nachteile eine gewisse Aussagekraft.
Da bisher allerdings keine vergleichbaren Studien zu dieser Thematik durchgeführt wurden, sind weitere Untersuchungen zwingend nötig.
Auch in der Arbeit von Büchi, Muggli wird auf dieselben positiven Auswirkungen von Ausdauertraining bei Erkrankungen wie MS hingewiesen (vgl. Büchi, Muggli 2020: S.10).
8.2 Beantwortung der Fragestellung
Diese Arbeit liegt der Frage „Welche Wirkungen zeigen die Physio- und Trainingstherapie bei Patienten mit MS?“ zu Grunde. Das Ziel war es, verschiedene Therapiemöglichkeiten zu prüfen und ihre Wirksamkeiten darzulegen.
Um die Forschungsfrage zu beantworten, werden die Therapiemöglichkeiten in Bezug zu den MS-typischen Symptomen gesetzt.
Physiotherapie kann bei MS unterschiedlich aussehen. Allgemein kann jedoch festgehalten werden, dass Physiotherapie, vor allem bei einem geringen Behinderungsgrad, hilfreich sein kann. So lassen sich mit Hilfe der Bobath-Therapie Gleichgewichtsreaktionen wiedererlernen. Die Vojta-Therapie bewirkt, vor allem in Kombination mit Laufbandtraining, eine signifikante Erweiterung der Gehstrecke. Miktionsstörungen und posturale Instabilitäten lassen sich über die Aktivierung der Beckenboden- und Rumpfmuskeln am besten mit der Hippotherapie behandeln. In den letzten Jahren werden stetig neue Erkenntnisse zur Robotik-Therapie veröffentlicht. Hiermit können die Arm- und Haltefunktion, sowie der Gang wiedererlernt und optimiert werden.
Bei der Trainingstherapie ist vor allem das Ausdauertraining empfehlenswert. Neben einer Verminderung der Fatigue-Symptomatik, lässt sich eine erweiterte maximale Gehstrecke nachweisen. Aufgrund der verbesserten körperlichen Leistungsfähigkeit, steigt auch die Lebensqualität und die damit verbundene psychische Stimmung der Betroffenen. Auch das Kraft- und Widerstandstraining zeigt eine Verbesserung der körperlichen Funktion, sowie eine Steigerung der Lebensqualität.
8.3 Theorie-Praxis Transfer
Mit Hilfe dieser Arbeit lässt sich kein eindeutiges Therapiekonzept für die Praxis formulieren. Aufgrund der unterschiedlichen Erscheinungsformen der MS, erschließen sich viele verschiedene Therapiemöglichkeiten. Durch die Leitlinien zur Therapie von MS wird dennoch ein Grundgerüst erstellt. Um in der Praxis zukünftig noch leichter und evidenzbasierter arbeiten zu können, sollten die Leitlinien nach Symptomen und Behinderungsgraden differenziert werden. So können den Betroffenen die Therapiemöglichkeiten besser näher gebracht werden und es werden Eigen- sowie Fehlinterpretationen bei der Therapiegestaltung vermieden.
9. Fazit
Ziel der Projektarbeit war die Recherche zu physio- und trainingstherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten für die neurologische Erkrankung Multiple Sklerose. Da die Symptome der Multiplen Sklerose, wie in der Arbeit erwähnt, von Patient zu Patient unterschiedlich sind, ist es von großer Wichtigkeit die einzelnen Therapiemöglichkeiten individuell anzupassen. Für Patienten mit motorischen und zerebellären Störungen eignen sich physiotherapeutische Behandlungsmethoden wie Bobath, Vojta und die Hippotherapie. Diese ermöglichen den Erkrankten, durch das Wiedererlangen der Selbständigkeit und Eigenaktivität, mehr Lebensqualität. Die Robotik-Therapie kann beispielsweise die Armhaltefunktion und den Gang des Patienten durch entsprechende Unterstützung deutlich verbessern. Das Kraft- und Ausdauertraining hat sich bisher vor allem bei der Fatigue-Symptomatik bewährt, da es die Mobilität der MS-Patienten aufrechterhält und weitere positive Effekte, wie die Senkung der Körpertemperatur, mit sich bringt. Bei Patienten, die an Miktionsstörungen leiden, kann ein intensives Beckenbodentraining zur Linderung beitragen und somit den Alltag erleichtern. Auch kognitive Störungen können ein Problem der MS darstellen. Mit Hilfe von Patientenschulungen und neuropsychologischen Verfahren kann es hierbei zu einer Verbesserung der Aufmerksamkeit, des Gedächtnisses und auch der Multi-Tasking-Fähigkeit kommen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Physio- und Trainingstherapie Patienten mit MS hilft. So kann bei bereits vorhandenen Nervenschäden wieder Funktionalität entstehen, was es den Patienten ermöglicht, am alltäglichen Leben teilzunehmen und selbständiger zu sein. Da auch die medikamentöse Therapie eine sehr große Rolle spielt, sollte eine individuell auf den Patienten abgestimmte Kombination aus Physio- und Trainingstherapie mit den nötigen Medikamenten erfolgen.
Um das Thema „Physio- und Trainingstherapie bei Multipler Sklerose“ weiter ausbauen zu können und demzufolge ein einheitlich empfehlenswertes und anwendbares Therapiekonzept zu erfassen, muss zukünftig noch weiter und genauer geforscht werden. Gerade bei Studien zur Trainingstherapie fehlen hilfreiche Informationen bezüglich Intensität, Dauer und Wiederholungen der einzelnen Trainingseinheiten. Außerdem könnte mehr Fokus auf Trainingstherapien wie die Robotik gelegt werden, da diese viele Vorteile wie Funktionsverbesserung der Extremitäten und Steigerung der Motivation mit sich bringen kann. Auch das Gleichgewichtstraining und das Beckenbodentraining sollten weiter ausgebaut werden, da ein Großteil der Patienten davon betroffen sind, aber oftmals der Therapieinhalt auf Sensorik und Motorik fokussiert ist. Zudem sollte die Wirkung der Physio- und Trainingstherapie auf die Psyche der Patienten mit Hilfe von neuen Studien recherchiert und belegt werden.
Im Großen und Ganzen handelt es sich bei MS, wie bereits erwähnt, um die Krankheit mit den 1000 Gesichtern, bei der ständige Forschungsarbeit nötig ist, um den Patienten in Zukunft bessere Chancen auf ein normales Leben ermöglichen zu können.
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